Betr. Telephonkontrolle diplomatischer Vertretungen
In oben vermerkter Angelegenheit möchte ich Ihnen kurz folgendes berichten:
1. Die Telephonkontrolle ist vorgesehen in Art. 7, Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Oktober 1922 betr. den Telegraphen- und Telephonverkehr2. Der Text dieser Gesetzesbestimmung lautet:
«Die Telegraphenverwaltung ist auf schriftliches Gesuch der zuständigen Justiz- und Polizeibehörde zur Auslieferung von Telegrammen oder von dienstlichen Aufzeichnungen über den Telephonverkehr sowie zur Auskunftserteilung über den Telegramm- oder Telephonverkehr bestimmter Personen verpflichtet, wenn es sich um eine Strafuntersuchung oder um die Verhinderung eines Verbrechens oder Vergehens oder um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten handelt.»
Gemäss Bundesratsbeschluss vom 13. April 19563 über die Änderung der Vollziehungsverordnung I zum Bundesgesetz betr. den Telegraphen- und Telephonverkehr ist nach revidiertem Art. 7, lit. c, auch die Bundesanwaltschaft zum Begehren einer Telephonkontrolle berechtigt.
Seit Bestehen der Bundespolizei wurde deren Chef vom Bundesanwalt ermächtigt, die Telephonkontrollbegehren an die PTT selbst zu stellen. Der Unterzeichnete handhabt das wie folgt: Der Inspektor, welcher eine TK4 wünscht, berichtet dem Unterzeichneten schriftlich, d. h. in einem Bericht des Polizeidienstes über den Fall, worin er insbesondere die bereits bestehenden Verdachtsgründe eines rechtswidrigen Handelns zu nennen hat; in dringenden Fällen erfolgt die Berichterstattung mündlich. Erachtet der Unterzeichnete im gegebenen Fall die gesetzlichen Voraussetzungen als erfüllt, unterschreibt er das Begehren. Die Prüfung erfolgt nach strengen Massstäben, und die Fälle sind nicht selten, in denen die TK verweigert wird. Alle drei Monate haben sämtliche Inspektoren Bericht zu erstatten über alle im Quartal geführten TK, insbesondere die Gründe anzugeben, warum sie weitergeführt werden muss.
2. Alle Telephonkontrollen gegen Mitglieder fremder diplomatischer Vertretungen stützen sich auf Art. 271–274 StGB. Dabei sind wir uns wohl bewusst, dass strafrechtlich gegen Angehörige fremder Gesandtschaften nicht vorgegangen werden kann. Trotzdem ist es unsere Pflicht und Aufgabe, die Straftatbestände als solche zu eruieren, auch dann, wenn es letzten Endes nur zur Abberufung führt, wie z. B. im Fall Sochor (tschechischer Militärattaché)5 und Végh (ungarischer Attaché)6. Gerade der letzte Fall gab dann Anlass zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Schweizerin Danusser7, ein Fall, den das Departement an den Kanton Neuenburg delegierte. Der Bericht des Polizeidienstes über die Spionagetätigkeit des Végh zirkulierte gemäss Ihrer Weisung bei allen Herren Mitgliedern des Bundesrates8.
3. Zur Zeit stehen die nachfolgend aufgeführten Mitglieder der diplomatischen Vertretungen unter TK: – Abaza Mohsen Sayed9, Konsul der Ägyptischen Botschaft Bern – El Gammal Omar10, Luftattaché der Ägyptischen Botschaft Bern – Ivanov Marin Todorov11, Funktionär der Bulgarischen Gesandtschaft Bern – Tao Ping-Wie12, Funktionär der Chinesischen Botschaft Bern – Kung Ke-fei13, Militärattaché der Chinesischen Botschaft Bern – Chang Yun-hsiao14, Adj. des Militärattachés der Chines. Botschaft Bern – Kao Shang-lin, Funktionär der Chinesischen Botschaft Bern – Oberst Chomenko15, stellvertretender Militärattaché der Sowjetrussischen
Botschaft Bern – Boutinow Michel16, Funktionär der Sowjet. Handelsabteilung Bern – Zakondryne Boris17, Funktionär der Sowjet. Handelsabteilung Bern – Beran Jan18, Sekretär der CSR-Gesandtschaft Bern – Kapcsos Karoly, Sekretär der Ungarischen Gesandtschaft Bern – Mercier19, Attaché der Französischen Botschaft Bern
Im einzelnen sei noch folgendes erwähnt:
– Ägyptische Polizeifunktionäre begingen Amtshandlungen auf Schweizerboden im Zusammenhang mit Devisensachen (Perlmutter und Konsorten). Die Umtriebe der Ägypter sind im übrigen bekannt; zu erinnern ist an die noch immer in Untersuchung stehende Sprengstoffgeschichte in Genf.
– Der bulgarische Geschäftsträger ad int., Ivanov, ist spionageverdächtig.
– Nach uns zugekommenen Mitteilungen ist die Chinesische Botschaft das Nachrichtenzentrum für ganz Europa. Der Botschafter soll vor seinem Amtsantritt in Bern einer der Leiter des rot-chinesischen Informationsdienstes gewesen sein.
– Die Umtriebe des Obersten Chomenko sind bekannt. Er ist spionageverdächtig. Chomenko wurde verschiedentlich filiert. Wir erinnern auch an das Photographieren dieses Ausländers anlässlich der Manöver des 3. A. K. im Jahre 1955. Die Handelsabteilung der Sowjetrussischen Botschaft betreibt vermutlich Wirtschaftsspionage. In diesem Zusammenhang ist der Besuch sowjetrussischer Delegationen und das z. T. merkwürdige Verhalten ihrer Mitglieder zu erwähnen.
– Die Abberufung des tschechischen Attachés Sochor ist erwähnt. Heute hat Beran Agenten in der Schweiz, die für ihn arbeiten.
– Ungarische Gesandtschaft (Végh) ist erwähnt.
– Die Begründung der Telephonkontrolle gegen Attaché Mercier20 bei der Französischen Botschaft ist bekannt. Unter Kontrolle steht derjenige Telephonanschluss der Französischen Botschaft, welcher von Mercier benutzt wird und überdies sein Privat-Telephon.
Auch bei den übrigen Funktionären stehen nur die von ihnen benutzte Linie und auch ihre Privat-Telephone unter Kontrolle.