Dr. Reinhardt erinnert zunächst an die Umstände, die seinerzeit für den
Eintritt der Grossbanken in den Verwaltungsrat der Interhandel massgebend waren3. Seither hat sich die Situation geändert, und die Kreditanstalt möchte die Freiheit haben, den Verwaltungsrat wieder zu verlassen. Sie will einen solchen Schritt jedoch nicht ins Auge fassen ohne Einvernehmen mit dem
Politischen Departement. Folgende Gründe sind es im wesentlichen, die sie zu Rücktrittsgedanken bewegen:
– Die ungesunde Entwicklung des Kurses der Interhandelaktien, die die ganze
Situation als kritisch erscheinen lasse, dies umso mehr als niemand genau weiss, was die GAF4 -Beteiligung wirklich wert ist.
– Die äusserst rege und nicht immer durchsichtige Tätigkeit des Herrn
Brupbacher, der sich Dritten gegenüber mit seinen Reisen in die USA sowie auch mit seinen Kontakten zum EPD sowie zu Botschafter Lindt brüstet.
– Anlässlich der letztjährigen Interhandel-Generalversammlung5 schliesslich sind die Vertreter der Kreditanstalt und des Bankvereins kritisiert worden, dass sie weiterhin im Verwaltungsrat der Interhandel verbleiben, obwohl die von ihnen vertretenen Grossbanken über keine Interhandelaktien mehr verfügten. Herr Schaefer hat eine Neuwahl des Interhandel-Verwaltungsrates in Aussicht gestellt. In einem solchen Falle werde man
Herrn Brupbacher mit Rücksicht auf dessen Aktienbesitz kaum ausschliessen können. Mit diesem gemeinsam im Verwaltungsrat zu sitzen, würde aber für die Vertreter der Grossbanken eine heikle Situation schaffen.
Der Interhandel-Verwaltungsrat beabsichtigt, demnächst eine Delegation in die Vereinigten Staaten zu entsenden, dies namentlich im Hinblick auf die ihm gegenüber immer wieder lautgewordene Kritik, untätig geblieben zu sein.
Bei seinem Entscheid befinde sich der Verwaltungsrat allerdings in einem
Dilemma. Unternehme er nämlich jetzt nichts, so dürften vor allem anlässlich der bevorstehenden Generalversammlung erneute Vorwürfe laut werden.
Werde aber eine Delegation entsandt, so bestehe die Gefahr, dass die Kurse der Interhandelaktien wiederum in ungesunder Weise in die Höhe getrieben werden.
Dr. Pfenninger führt aus, der Bankverein befinde sich in der gleichen Lage wie die Kreditanstalt. Was seine persönliche Funktion als Unterhändler für die Vergleichsverhandlungen anbelange, so habe er seinerzeit die «fifty-fifty»-Lösung6 vorgeschlagen, ein Vorschlag, der vom Interhandel-Verwaltungsrat abgelehnt worden sei7. Sein Mandat als Unterhändler sei damit beendigt.
Weiter bestehe allerdings seine Verantwortlichkeit als Mitglied des Verwaltungsrates.
Die derzeitige Lage beurteilt Dr. Pfenninger wie folgt:
Die Prozessaussichten sind, auch nach Ansicht der Interhandel-Anwälte in USA, nicht günstig. Die Vergleichsverhandlungen andererseits kamen namentlich im Hinblick auf den Wechsel in der amerikanischen Administration8 vor ca. Jahresfrist zum Stillstand. Die Erwartungen, die an die Ernennung des
Herrn Charles Wilson als Beauftragter der Interhandel geknüpft wurden, sind heute zum mindesten in Frage gestellt. Seine besten Verbindungen besitzt der
Genannte zu den Republikanern, wie denn auch ganz generell die Chancen für eine Lösung des Interhandelproblems im Falle eines republikanischen Wahlsieges vermutlich besser gewesen wären. Die Aussichten, auf dem Vergleichswege in Bälde zu einer Lösung zu finden, sind auch insofern gering, als die neue
Verwaltung sich noch nicht einarbeiten konnte. Eine Erschwerung bedeuten
überdies die hohen Kurse der Interhandelaktien. Die deutsch-amerikanischen
Verhandlungen betreffend die Rückgabe der deutschen Guthaben vermögen die Situation kaum wesentlich zu beeinflussen. Jedenfalls ist es noch zu früh, dieses Element in den Verhandlungen mit den USA einzusetzen.
Trotzdem erscheint es besonders im Hinblick auf die bevorstehende Interhandel-Generalversammlung notwendig, dass der Verwaltungsrat etwas unternimmt. Deshalb der Plan, eine Delegation nach Washington zu entsenden9.
Diese hätte keine eigentlichen Verhandlungen zu führen. Ihre Aufgabe wäre es lediglich, Kontakte anzuknüpfen, die Verhandlungsbereitschaft der amerikanischen Seite abzuklären und inskünftige Besprechungen vorzubereiten.
Dr. Pfenninger wäre dankbar, wenn diese Delegation, der er selbst angehören werde, über deren weitere Zusammensetzung aber noch Einverständnis erzielt werden müsse, auf die Unterstützung unserer Botschaft in Washington zählen könnte. Es handle sich namentlich darum, der Delegation bei der
Herstellung der notwendigen Kontakte mit den amerikanischen Behörden behilflich zu sein.
Bundesrat Petitpierre erinnert an die dem Verwaltungsrat gegenüber schon mehrfach dargelegte Auffassung, wonach der Bund sich mit dem Interhandelfall möglichst wenig befassen möchte. Unsere Botschaft in Washington hat daher
Instruktionen, die notwendige Zurückhaltung zu üben. Auch der Bund ist allerdings interessiert daran, dass die Angelegenheit einer Lösung zugeführt wird, und zwar wenn möglich auf dem Vergleichsweg10.
Das Departement wird die Botschaft in Washington über den bevorstehenden Besuch einer Delegation des Verwaltungsrats orientieren und ist damit einverstanden, dass unsere Vertretung dieser Delegation im Rahmen des
Möglichen mit Rat sowohl als auch bei der Vermittlung von Kontakten mit den
USA-Behörden behilflich ist11. Wie bisher hat unsere Botschaft indessen sich von den Verhandlungen selbst fernzuhalten. Diese sind ausschliesslich Sache der Interhandel. Das Departement hat sich allerdings von jeher vorbehalten, sich bei Vorliegen einer nach seiner Auffassung annehmbaren Vergleichsofferte, die von Interhandel nicht akzeptiert werden sollte, an der weiteren Verfolgung der Angelegenheit desinteressiert zu erklären.
Minister Kohli erinnert an den Vergleichsvorschlag Pfenninger auf der Basis «fifty-fifty», der vom Interhandel-Verwaltungsrat seinerzeit zurückgewiesen worden sei, und betont, dass sich das Departement unter diesen Umständen in diese Angelegenheit nicht mehr einzumischen habe.
Zur Tätigkeit des Herrn Brupbacher stellt Bundesrat Petitpierre fest, dass der Genannte nicht im Auftrag des Departements handelt. Herr Brupbacher hat verschiedentlich bei uns vorgesprochen, um uns über seine Aktionen, so namentlich über seine Reisen nach den Vereinigten Staaten12 auf dem laufenden zu halten, wobei er immer betonte, er unternehme alle seine Schritte in vollem Einverständnis mit Herrn Präsident Schaefer. Herr Brupbacher hat es offenbar verstanden, sich Zugang zu gewissen einflussreichen Persönlichkeiten in USA zu verschaffen. Ob seine Tätigkeit der Sache nützlich ist oder schadet, vermag das Departement nicht zu beurteilen.
Was schliesslich die Frage eines allfälligen Rücktritts der Vertreter der Kreditanstalt und des Bankvereins aus dem Interhandel-Verwaltungsrat anbelangt, so hält Bundesrat Petitpierre den gegenwärtigen Zeitpunkt hierfür nicht für sonderlich opportun. Ein solcher Rücktritt bedürfte jedenfalls einer sorgfältigen
Vorbereitung, wobei es auch sehr darauf ankomme, wie er präsentiert werde.
Dr. Pfenninger stellt hierzu fest, dass im Verwaltungsrat des Bankvereins die Rücktrittsfrage bisher noch nicht diskutiert worden sei.13