dodis.ch/30202
Notiz des Vorstehers des Politischen Departements, F. T. Wahlen1

Ich empfing heute auf seinen Wunsch Herrn Botschafter Grey, der mir angekündigt hatte, dass er mir eine Mitteilung des Lordsiegelbewahrers Heath zu überreichen hätte. Tatsächlich handelt es sich lediglich um ein Memorandum, das sich mit der Frage der Einschaltung der Neutralen in die Verhandlungen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft befasst. Ich lege dieser Notiz eine Kopie des Memorandums bei2.

Es ist aus diesem Text sowie aus den mündlichen Mitteilungen von Herrn Grey zu entnehmen, dass die Engländer nun den Zeitpunkt, an dem sie hoffen, «to break the back of the negotiations» um einen guten Monat hinausgeschoben haben, da nun von Ende Juli bis anfangs August die Rede ist. Offenbar würde der Plan darin bestehen, dass nach diesem entscheidenden Zeitpunkt die Konferenz der Commonwealthländer auf etwa 1. September einberufen würde, worauf sich das Parlament im Oktober mit der Frage zu befassen hätte. Botschafter Grey führte nun aus, dass es das Vereinigte Königreich aber auch die Neutralen selbst in eine schwierige Position versetzen müsste, wenn bis zu jenem Zeitpunkt auch ihre Verhandlungen nicht bereits recht weit fortgeschritten wären.

Ich gab Herrn Botschafter Grey zu verstehen, dass ein Drängen der Neutralen nicht unbedingt positive Resultate hervorrufen würde. Erstens hätten wir immer noch keine formelle Antwort auf unseren Brief vom 15. Dezember3, und es wäre vielleicht nützlich, wenn sich das Vereinigte Königreich, aber auch die der Kommission günstig gesinnten Mitglieder der Sechs, wie Deutschland, vorerst dafür einsetzen wollten, dass wir eine solche Antwort erhielten, um aus ihr einige Rückschlüsse auf die Haltung der Sechs ziehen zu können. Überdies schien es mir fraglich, ob die Neutralen wirklich die Bemühungen des Vereinigten Königreichs unterstützen würden, wenn sie zu dem ohnehin grossen Arbeitspensum Brüssels auf eine rasche Erledigung ihres Anliegens drängen würden.

Auch wir seien uns, so betonte ich, der Gefahr bewusst, dass durch ein völliges Abseitsstehen der Neutralen die Doktrin der Sechs in einem Sinne herausgearbeitet werden könnte, die uns abträglich wäre. Ich sagte ihm jedoch, dass wir in den Hauptstädten, aber namentlich in Brüssel, auf der unteren Ebene, auf der ja sicher auch die ersten Entwürfe über die Haltung der Sechs ausgearbeitet würden, unseren Einfluss geltend machten.

Ich hatte das Gefühl, dass Herr Botschafter Grey meine Ansichtsäusserungen nicht nur begriff, sondern weitgehend zu teilen schien. Im Übrigen ergriff ich die Gelegenheit, ihm zu sagen, dass die Äusserungen von George Ball4 über unser angebliches Revirement vollständig aus der Luft gegriffen seien. Nachdem er an den Orientierungen von Herrn Jackling teilgenommen hatte, versicherte er mir, dass er diesen Mitteilungen ohnehin keinen Glauben geschenkt hatte.

1
E 2804(-)1971/2/108. Eine Kopie dieser Notiz erhielten P. Micheli, E. Stopper und P. R. Jolles.
2
Vgl. das Memorandum der britischen Botschaft in Bern für das Politische Departement vom 10. April 1962 (dodis.ch/30203).
3
Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 34, dodis.ch/30143.
4
Zu diesen Äusserungen vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 63, dodis.ch/30198.