dodis.ch/30948
Der Generalsekretär des Volkswirtschaftsdepartements, K. Huber, an den Stellvertreter des Chefs der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, R. Probst1

Antitrustprozess Uhrenindustrie

Persönlich und vertraulich

Gestatten Sie mir, dass ich einige Gedanken festhalte, die sich mir im Anschluss an die verschiedenen Besprechungen betreffend Abschluss eines consent decree2 aufdrängen.

1. Die allgemeine Marschroute unserer Uhrenindustrie muss auch in der Frage der traditionellen Politik eindeutig in Richtung auf eine vermehrte Liberalisierung resp. eine weltoffenere Politik unserer Uhrenindustrie gehen. Nun verlangt man aber von den für die Handhabung des Uhrenstatuts zuständigen Behörden immer mehr zusätzliche Erklärungen etc., die eigentlich auf ein Festnageln der alten Marschroute hinauslaufen. Hier muss ich sagen, dass es einfach gewisse Grenzen gibt, wo wir nicht mehr mitmachen können, wenn wir logisch mit uns selber bleiben wollen.

2. Der Antitrustprozess ist ein Prozess der F[édération]H[orlogère und der Ebauches SA und nicht des Bundes. Wir sind nicht schuld, dass seinerzeit das consent decree nicht zustande kam. Ich habe auch die Überzeugung, dass den Anwälten Gordon und Jackson der Abschluss eines consent decree nicht absolut unmöglich gewesen wäre, wenn sie nicht das eindeutige Mandat gehabt hätten, den Prozess vor dem New Yorker Bundesgericht zu gewinnen. Ich glaube deshalb, dass es nun auch einmal an den Parteien der Uhrenindustrie wäre, jene Konzessionen zu machen, die offenbar einzig geeignet sind, das consent decree in letzter Stunde noch zustande zu bringen. Wenn man aber das letzte Jota einer sich immer mehr überlebenden konventionellen Ordnung retten will, dann muss man sich eben schlüssig werden, was wichtiger ist: Den Prozess zum Abschluss zu bringen, oder die geltende privatrechtliche Ordnung zu retten um den Preis eines endlosen Prozesses, dessen Ausgang mehr als offen ist.

3. Darf ich Ihnen sodann noch eine Bemerkung machen. Ihre Verhandlungsführung ist vorzüglich. Sie gibt mir lediglich zu dem Bedenken Anlass, dass der Bund sich immer mehr mit diesem Prozess identifiziert. Es ist auffallend, wie die wirklich Verantwortlichen der Uhrenindustrie im Hintergrund bleiben und stets eine Equipe vorschicken, die dann gegebenenfalls, zusammen mit den Herren der Bundesverwaltung, die die Verhandlungen leiten, als die «Schuldigen» eines von Bern «aufoktruierten» consent decree abgestempelt werden können. Da ja das consent decree die Uhrenindustrie, besonders die Vertreter der alten Linie, kaum befriedigen dürfte – auch wenn schlussendlich eines zustande kommt –, wäre es ja nicht so unbequem, einen Verantwortlichen zu suchen!

Ich bin überzeugt, dass Sie mir diese persönlichen Hinweise «verzeihen». Mir ist aber nicht mehr ganz wohl bei der ganzen Geschichte, obwohl ich bei den Verhandlungen nur als Experte für die Uhrengesetzgebung zugezogen bin.

1
Notiz: E 2001(E) 1978/84 Bd. 503 (C.41.126).
2
Vgl. dazu die Zusammenfassung der Argumentation in den Besprechungen vom Februar 1964 mit den amerikanischen Behörden betreffend Uhren-Antitrust vom Februar 1964, dodis.ch/31832 und das BR- Prot. Nr. 885 vom 5. Mai 1964, dodis.ch/31833.