dodis.ch/31030
Die Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements an die schweizerische Botschaft in Moskau1

Primo. Der sowjetische Aussenhandelsminister Patolichev hat durch Vermittlung der Berner Botschaft den Wunsch erkennen lassen, zu einem Gedankenaustausch über Fragen des schweizerisch-russischen Handels in Bern vorzusprechen2. Der Bundesrat hat daraufhin beschlossen, Herrn Patolichev einzuladen3. Der Besuch wird voraussichtlich im April nächsten Jahres stattfinden4. Die Berner Sowjetbotschaft ist entsprechend informiert worden.

Secundo. Im Verlaufe eines Gesprächs zwischen Bundesrat Schaffner und Botschafter Lochtchakov, an dem auch Botschafter Stopper und Minister Weitnauer sowie einige Mitarbeiter des russischen Missionschefs teilnahmen, ist neuerdings deutlich geworden, dass die Russen auf eine Entwicklung ihres Handels mit der Schweiz grossen Wert legen. Gleichartige Bemühungen werden bekanntlich von ihnen nicht ohne Erfolg gegenüber einer Reihe anderer westeuropäischer Staaten unternommen. In diesen Zusammenhang gehört zweifellos auch der von Herrn Patolichev gewünschte Berner Besuch. Wir haben versucht, unsern russischen Gesprächspartnern klar zu machen, dass die Initiative für eine Ausweitung des Handels, und zwar sowohl bei der Einfuhr wie bei der Ausfuhr, von ihnen ausgehen muss. Wir empfahlen ihnen, pragmatisch vorzugehen, die erforderlichen persönlichen Kontakte aufzubauen und auf Grund der tatsächlichen Bedürfnisse, der Qualitätsanforderungen und der Lieferfähigkeit hüben und drüben die Möglichkeiten für geschäftliche Abschlüsse ganz konkret zu erforschen. Wollen die Russen insbesondere ihren Export nach der Schweiz steigern, so muss den Experten schweizerischer Firmen die Möglichkeit geboten sein, sich an Ort und Stelle ein Bild darüber zu machen, welche Artikel zum Beispiel auf dem Gebiet der Halbfabrikate, für die Schweiz Interesse bieten könnten. Keinerlei Nutzen sehen wir in der Deklamation allgemeiner Grundsätze und Ziele als Ergebnis von Besprechungen zwischen Regierungsvertretern. Auch dem von Botschafter Lochtchakov stark propagierten Gedanken einer Studienreise schweizerischer Wirtschaftsführer nach Sowjetrussland stehen wir skeptisch gegenüber. Zum Problem der finanziellen Erleichterungen des Warenverkehrs durch Kredite und Exportrisikogarantien haben wir uns unter Hinweis auf die angespannte konjunkturelle Situation der Schweiz sehr zurückhaltend geäussert.

Tertio. Zweifellos wird es nützlich sein, die voraussichtlichen Gesprächsgegenstände zu gegebener Zeit zwischen der Handelsabteilung und der hiesigen sowjetischen Handelsvertretung vorabzuklären, vor allem mit dem Zweck, darauf hinzuwirken, dass Herr Patolichev seine Berner Gespräche nicht mit übertriebenen Erwartungen aufnimmt. Wir denken ohnehin nicht an eigentliche Verhandlungen, sondern vielmehr an einen kurzen und informellen Meinungsaustausch über die Probleme des schweizerisch-sowjetischen Handelsverkehrs.

Quarto. Die schweizerische Öffentlichkeit werden wir erst kurz vor Eintreffen des Herrn Patolichev in der Schweiz orientieren. Die Angelegenheit ist bis dahin als vertraulich zu betrachten.

1
Telegramm Nr. 2 (Versandkopie): E 7110(-) 1975/31 Bd. 143 (821). Visiert von H. Schaffner. Kopien an A. Janner, P. Micheli, L. Roches, E. Stopper und A. Weitnauer.
2
Vgl. die Notiz von H. Schaffner vom 27. Oktober 1964, E 7001(C) 1975/64 Bd. 10 (2310.1) und die Notiz von A. Janner vom 12. November 1964, E 2001(E)-01 1982/58 Bd. 475 (B.15.50).
3
Vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 74. Sitzung vom 27. Oktober 1964, E 1003(-) 1994/25 Bd. 3, S. 5–6.
4
Der Besuchstermin wurde mehrfach verschoben. Vgl. das Telegramm Nr. 40 von A. R. Ganz an die Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements vom 24. März 1965, E 2001(E) 1978/84 Bd. 963 (C.41.111). Im Sommer 1965 teilte die Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements mit, dass der vom sowjetischen Aussenhandelsminister Patolichev in Aussicht genommene Schweizerbesuch nicht im kommenden Herbst stattfinden könne. Vgl. die Notiz der Handelsabteilung vom 16. August 1965, ibid. Vgl. hierzu auch DDS, Bd. 23, Dok. 151, dodis.ch/31032.