dodis.ch/31193
Der schweizerische Botschafter in Peking, H. Keller, an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements1

Die Schweiz und Schweden im Urteil des Staatschefs von Kambodscha; Gespräch mit dem schwedischen Botschafter2

Mein schwedischer Kollege ist soeben von einer mehrwöchigen Reise nach Kambodscha zurückgekehrt, wo er sein Beglaubigungsschreiben überreicht und mit dem Prinzen Norodom Sihanuk ein mehrstündiges Gespräch geführt hat. [Petri meint, das Regime von Pnom-Penh sei sich der ihm von den chinesischen Kommunisten drohenden Gefahren im Grunde genommen besser bewusst, als dies im Ausland und insbesondere im Westen allgemein angenommen werde. Solange Prinz Sihanuk am Ruder bleibe, sei indessen ein Abgleiten seines Landes in den kommunistischen Abgrund unwahrscheinlich. Der lebens frohe, ehrgeizige und von seinem Volk überall verehrte Staatslenker soll [Petri anhand zahlreicher konkreter Fälle dargelegt haben, wie vorsichtig Peking, im Gegensatz zu den Amerikanern, operiere, und wie ungeschickt die «amerikanischen Elefanten im Porzellanladen Kambodscha» operieren sollen.

Mit der Neutralitätspolitik treibe Prinz Sihanuk einen eigentlichen Kult; von ihr allein erwarte er auch in Zukunft alles Heil nicht nur für Kambodscha, sondern auch für alle andern kleineren und mittleren Staaten in Ost- und Südostasien. Sich diesem Trend entgegenzusetzen, heisse, die Augen vor dem einzig möglichen Ausweg aus der gegenwärtigen gefährlichen Lage verschliessen.

Sihanuk soll lebhaftes Interesse für die Neutralität der Schweiz und Schwedens3 an den Tag gelegt, seine unbegrenzte Bewunderung für deren Neutralitätspolitik ausgedrückt und versichert haben, Kambodscha nehme sich die beiden neutralen Staaten Europas immer mehr zum Vorbild für seine eigene Haltung. Kambodscha träume davon, die «Suisse de l’Extrême Orient» zu werden, sei sich jedoch bewusst, wie weit man von diesem Ziel noch entfernt sei4. Allerdings, so fügte mein Gewährsmann hinzu, scheine sich das Interesse Sihanuks neuerdings weniger für die Schweiz und mehr für Schweden zu manifestieren, weil die Schweiz5 sich in internationalen Dingen allzu reserviert verhalte und keinerlei Initiative entwickle, obwohl sie hiezu bessere Voraussetzungen besässe als irgend ein anderes Land in der Welt. Im Vergleich hiezu sei die aktive Teilnahme Schwedens am internationalen Leben, z. B. seine Mitwirkung an der Arbeit der UNO bemerkenswert. Schweden zögere nicht, auch mit Truppen, Sanitätspersonal und auf andere Weise überall dort mitzuarbeiten, wo dies im Interesse der Beilegung internationaler Konflikte liege. [Petri meint, Sihanuks Urteil über Schweden sei wahrscheinlich durch die Tätigkeit eines Schweden günstig beeinflusst worden, der im Auftrag der UNO bei der Schlichtung von Grenzkonflikten zwischen Kambodscha und Südvietnam mitwirke und dessen Haltung Sihanuk sehr zu schätzen wisse.

1
Notiz (Kopie): E 2001(E) 1979/28 Bd. 12 (B.51.10.1).
2
L. Petri.
3
Vgl. dazu die Notiz von A. Janner an F. T. Wahlen vom 11. September 1965, dodis.ch/31099.
4
Vgl. dazu den Politischen Bericht Nr. 5 von J.-F. Revilliod an W. Spühler vom 31. März 1966, dodis.ch/31197; das BR.-Verhandlungsprot. der 51. Sitzung vom 30. August 1966, E 1003(-) 1994/26 Bd. 4 und das Telegramm Nr. 93 von P. Rüegger an W. Spühler vom 26. September 1966, dodis.ch/31200.
5
Fussnote im Originaltext: nach Auffassung des Prinzen.