Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 5. März3 betreffend die Frage der Beteiligung der Schweiz an der Konsultativgruppe für Süd-Korea teile ich Ihnen folgendes mit.
Süd-Korea ist ein im Aufbau begriffenes, devisenarmes Agrarland mit einer Bevölkerung von rund 25 Mio., währenddem in Nord-Korea mit nur 15 Mio. Menschen schon immer die industriellen Einrichtungen des Landes gewesen waren. Durch die Trennung wurde daher der Süden vom Entwicklungsstandpunkt aus gesehen, eindeutig benachteiligt. Eine Diskriminierung vom Standpunkt der technischen Zusammenarbeit4 aus gesehen, kann daher ohne weiteres sachlich gerechtfertig werden. Aber auch in formeller Hinsicht sind wir meines Erachtens gedeckt, nachdem mit der diplomatischen Anerkennung des Südteils5 gewissermassen die «Urdiskriminierung» begangen wurde. Es ist nun ausserdem klar, dass Süd-Korea dringend der Hilfe aus dem Westen bedarf, und dass es seinen Warenverkehr angesichts der herrschenden Devisenknappheit nur mit jenen Ländern entwickeln kann, die bereit sind, ihm finanziell irgendwie beizustehen. Die Handelsabteilung ist über nähere Einzelheiten bestens unterrichtet.
Dass in Süd-Korea die Vereinigten Staaten in der Entwicklungshilfe führend sind, kann heute nicht mehr so eindeutig gesagt werden, nachdem inzwischen der Japan-ROK-Vertrag6 die Türen für gewaltige japanische Investitionen geöffnet hat, und ausserdem auch europäische Staaten, insbesondere Westdeutschland sich am Schicksal Süd-Koreas sehr interessieren.
Ich glaube auch nicht, dass es richtig ist zu sagen, die Hilfe eines kleinen Landes wie der Schweiz komme kaum zur Geltung, wenn daneben die Vereinigten Staaten oder andere Grossmächte das Entwicklungsfeld beherrschten. Dem kann zunächst entgegen gehalten werden, dass gerade in Süd-Korea bis vor kurzem die amerikanische Entwicklungshilfe ein totaler Versager war und enorme Gelder in unrentable Unternehmen verlocht wurden. Was die nun im Kommen begriffenen Japaner anbetrifft, so besteht gegen diese in Korea ein historisch begründetes Misstrauen und ausserdem bewegt sich die japanische Hilfe weitgehend auf rein kommerziellem Boden. Unter diesen Umständen muss man sagen, dass mit einem guten Entwicklungsprojekt die Schweiz sich viel Goodwill schaffen und ihre Leistungen neben denjenigen anderer Länder durchaus sehen lassen könnte. Auf dem Gebiete der süd-koreanischen Landund Forstwirtschaft z. B. stellen sich gewaltige Probleme. Wenn wir in dieser Richtung etwas Grundlegendes tun könnten, dann würde dies in Süd-Korea zweifellos auf guten Boden fallen. Fahren wir hingegen mit gelegentlichen kleineren Aktionen der technischen Zusammenarbeit fort, dann laufen wir allerdings Gefahr, dass, auch wenn es noch so gut gemeint wäre, der Erfolg an einem kleinen Orte sein wird.
So sollte meines Erachtens die Schweiz jedenfalls nicht aus den von Ihnen angegebenen Gründen7 der Konsultativgruppe der Weltbank für Süd-Korea nicht beitreten. Vielleicht bestehen aber noch andere Motive, die sich meiner Kenntnis entziehen. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass es der schweizerischen Entwicklungshilfe möglich sein wird, ihre Einstellung gegenüber Süd-Korea zu ändern und sich dessen Problemen in positiverem Sinne anzunehmen8.