dodis.ch/31415
Antrag des Finanz- und Zolldepartements an den Bundesrat1

Währungshilfe an Grossbritannien

1. Gestützt auf den Bundesbeschluss vom 4. Oktober 19632 über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen3 wurde die Schweizerische Nationalbank vom Bundesrat am 26. November 19644 er­ mächtigt, an einer multilateralen Stützungsaktion zugunsten des Pfundsterlings5 im Ausmasse von 690 Millionen Franken (160 Mio. $) während einer Dauer von höchstens 5 Jahren teilzunehmen. Der Nationalbank wurde dabei eine Rücknahmegarantie des Bundes gegeben. Diese gewährte hierauf der Bank of England zwei Swap-Kredite im Gesamtbetrage von 518 Millionen Franken (120 Mio. $), die in der Folge konsolidiert wurden.

2. Nachdem im Sommer 1965 das Pfundsterling erneut unter Druck geraten war, beteiligte sich die Nationalbank im Herbst 1965 an einer weiteren internationalen Hilfsaktion mit einem Stand-by-Kredit von 215 Millionen Franken (50 Mio. $), der indessen nicht beansprucht wurde und nun am 15. März dieses Jahres ausläuft. Der Bundesrat stimmte mit Beschluss vom 10. September 19656 auch dieser Operation zu.

3. Es wird befürchtet, dass nach dem Dahinfallen dieser jüngsten Notenbankhilfe das Pfundsterling erneut unter Druck geraten könnte, zumal diese Währung infolge der beträchtlichen Hypothek in Form von Sterling-Balances (Guthaben der Sterling- und Nichtsterling-Länder in Grossbritannien) besonders krisenanfällig ist. Ende September 1965 betrugen die Sterling-Balances 3 Milliarden Pfund. Auf die Sterling-Länder entfielen dabei 2,5 Milliarden und auf die Nichtsterling-Länder 0,5 Milliarden Pfund. Demgegenüber belaufen sich die Währungsreserven der Bank of England auf rund 1 Milliarde Pfund.

Anlässlich der BIZ-Tagung der Notenbank-Leiter von Mitte Januar 19667 bestand weitgehend Übereinstimmung, dass das englische Pfund wegen der genannten Sterling-Balances verwundbarer ist als jede andere Währung. Man kam zum Schluss, dass die Aktion vom vergangenen September durch eine neue Bereitschaftshilfe abgelöst werden sollte, um eine neue Vertrauenskrise zu vermeiden. Die Höhe wird auf rund 1 Milliarde Dollar veranschlagt, entsprechend den potentiellen Abzugsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den erwähnten Sterling-Balances. Es ist provisorisch vorgesehen, dass von diesem Betrag 700 Mio. $ von den westeuropäischen Ländern einschliesslich BIZ und 300 Mio. $ von den USA aufzubringen sind. Praktisch würde es sich um eine Verlängerung der im letzten Herbst gewährten Unterstützung, aber in etwas anderer Form, handeln. Die Mitwirkung der Schweizerischen Nationalbank bliebe voraussichtlich im bisherigen Rahmen von 215 Millionen Franken (50 Mio. $).

Die Hilfe wäre gedacht in Form von Dreimonatsvorschüssen, die für 2 mal 3 weitere Monate verlängert werden könnte; sie würde jedenfalls eine Dauer von maximal 12 Monaten kaum überschreiten. Diese Kredithilfe könnte die Form entweder von Swap-Operationen mit der Bank of England haben, oder durch Einlagen der mitwirkenden Notenbanken bei der BIZ erfolgen, sei es in nationaler oder fremder Währung ($). In letzterem Fall würde die BIZ als Agent der Hilfsaktion funktionieren. Die Hilfe hätte dann wirksam zu werden, wenn Sterling-Balances aus den oben aufgeführten Gründen abgebaut würden.

Der Nationalbank wäre gestützt auf den Bundesbeschluss vom 4. Oktober 1963 wie üblich eine Rücknahmegarantie des Bundes zu gewähren.

4. Die vorgesehene Hilfe hätte somit wiederum Stand-by-Charakter, denn möglicherweise wird bereits schon die Tatsache der Kreditzusage genügen, um das Pfund über Wasser zu halten, indem die Spekulation entmutigt würde. Trifft dies zu, so würde der Kredit – wie letztes Mal – nicht in Anspruch genommen werden müssen. Für den Fall aber, dass es doch zu einer Beanspruchung kommen sollte, erörterten die Notenbank-Leiter bereits die Frage einer späteren Konsolidierung8. Diese könnte wohl zum grössten Teil vom Internationalen Währungsfonds und teilweise auch vom Europäischen Währungsfonds vorgenommen werden. Als Mitglied dieses letzteren Fonds würde auch die Schweiz in eine solche Konsolidierung einbezogen. Unsere Beteiligung am Fonds beträgt 3,5% bzw. rund 92 Millionen Franken (21 Mio. $), wovon 11,5 Millionen Franken (2,7 Mio. $) bereits früher einbezahlt wurden. Je nach dem Ausmass einer allfälligen Mitwirkung des Europäischen Währungsfonds müsste der Bund weitere Einzahlungen vornehmen, höchstens aber 80,5 Millionen Franken (18,3 Mio. $). Das Problem der Konsolidierung bedarf noch besonderer Abklärung.

5. Wir sind mit der Nationalbank der Auffassung9, dass unser Land einer erneuten internationalen Kreditaktion zugunsten des Pfundes nicht fernbleiben kann. Wie bei den früheren Aktionen hat weiterhin die Überlegung den Vorrang, dass eine Beteiligung unseres Landes an der Stützung dieser wichtigen Schlüsselwährung im Interesse der Erhaltung eines stabilen westlichen Währungssystems liegt und damit auch in unserem eigenen Interesse als angezeigt erscheint. Überdies ist zu beachten, dass Grossbritannien Mitglied der EFTA10 ist. Schliesslich ist hervorzuheben, dass es sich – wie bereits erwähnt – nicht um ein neues zusätzliches Engagement handelt, sondern um die Prolongation der im September 1965 eingegangenen Verpflichtung, wenn auch in anderer Form.

Grossbritannien wird im Zusammenhang mit der vorgesehenen Währungshilfe erneut an die Wünschbarkeit einer baldigen Abschaffung der verbleibenden 10%igen Importabgabe11 erinnert werden müssen. Eine Verwirklichung dieses Postulates wird unter den gegebenen Verhältnissen indessen noch nicht möglich sein; demgemäss kann es nicht darum gehen, die völlige Aufhebung der Importabgabe zu einer Bedingung für die Gewährung weiterer Hilfen zu machen. Eine solche Haltung wäre schweizerischerseits schon deshalb kaum zu vertreten, weil unsere Exporte nach Grossbritannien ungeachtet der erwähnten Abgabe im vergangenen Jahr um 15% angestiegen sind.

Dagegen wird von der britischen Regierung verlangt werden müssen, wei tere Massnahmen zur Wiederherstellung des innern und äussern Gleichgewichtes der Wirtschaft zu treffen.

Die Notenbank-Leiter werden ihre Beratungen anlässlich der nächsten BIZ-Sitzung Mitte Februar fortsetzen. Um sich daran aktiv zu beteiligen, bedarf die Nationalbank eines grundsätzlichen Entscheides des Bundesrates, ob schweizerischerseits an der geplanten Aktion mitgewirkt werden kann.

6. Auf Grund der vorstehenden Ausführungen und gestützt auf den Bundesbeschluss vom 4. Oktober 1963 über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen beehren wir uns, Ihnen im Einvernehmen mit dem Volkswirtschaftsdepartement zu beantragen:

a) Die Schweizerische Nationalbank wird ermächtigt, sich an einer neuen internationalen Hilfsaktion zugunsten des Pfundsterlings mit einem Stand-by-Kredit in der Höhe von 215 Millionen Franken (50 Mio. $) und einer Laufzeit von maximal 12 Monaten zu beteiligen;

b) der Nationalbank wird hiefür eine Rücknahmegarantie im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 1. März 1963 gewährt, wonach sich der Bund verpflichtet, den genannten Betrag auf Ersuchen der Nationalbank gegen Abtretung der ihr zustehenden Gegenleistungen zurückzuerstatten;

c) das Finanz- und Zolldepartement wird beauftragt, sich mit der Nationalbank über die Frage einer Garantiekommission zu verständigen;

d) die Nationalbank wird beauftragt, eine allfällige Operation dem Internationalen Währungsfonds zu notifizieren12.

1
Antrag: E 1001(-) 1970/24 Bd. 52. Unterzeichnet von R. Bonvin.
2
Bundesbeschluss über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen vom 4. Oktober 1963, BBl, 1963, II, S. 809 f. Vgl. ferner das BR-Prot. Nr. 909 vom 8. Mai 1964, dodis.ch/31948.
3
Vgl. dazu das BR-Verhandlungsprot. der 76. Sitzung vom 2. November 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 4 f. Zur Währungshilfe an Italien vgl. das BR-Prot. Nr. 944 vom 21. Mai 1965, dodis.ch/31438 und Doss. E 6100(C) 1998/106 Bd. 197 (980.2).
4
BR-Prot. Nr. 2076 vom 26. November 1964, dodis.ch/31425; das BR-Verhandlungsprot. der 83., dringenden Sitzung vom 26. November 1964, dodis.ch/31975 und das BR-Verhandlungsprot. der 35. Sitzung vom 14. Mai 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 6.
5
Zur Währungshilfe der Schweiz an Grossbritannien vgl. die Notiz von H. Hess vom 28. Oktober 1964, dodis.ch/31441; das BR-Prot. Nr. 2076 vom 26. November 1964, dodis.ch/31425; den Bericht der schweizerischen Nationalbank vom 11. Dezember 1964, dodis.ch/32036; das BR-Prot. Nr. 944 vom 21. Mai 1965, dodis.ch/31438; die Notiz von M. Redli an R. Bonvin vom 2. September 1965, dodis.ch/31447 und das BR-Prot Nr. 1125 vom 10. Juni 1966, dodis.ch/31439.
6
Vgl. das BR-Prot. Nr. 1544a vom 10. September 1965, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 701.1; das BR-Verhandlungsprot. der 60. Sitzung vom 3. September 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 10 und das BR-Verhandlungsprot. der 62. Sitzung vom 10. September 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 6 f.
7
Vgl. das Schreiben des Direktoriums der schweizerischen Nationalbank an R. Bonvin vom 28. Januar 1966, E 6100(C) 1998/106 Bd. 197 (890.3).
8
Vgl. das Schreiben des Direktoriums der schweizerischen Nationalbank an das Finanz- und Zolldepartement vom 20. Mai 1966, Doss. wie Anm. 7.
9
Vgl. Anm. 7.
10
Zur EFTA vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 172, dodis.ch/31640, bes. Anm. 10.
11
Zur britischen Importabgabe vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 65, dodis.ch/31417 und Dok. 99, dodis.ch/31418.
12
Der Antrag wurde vom Bundesrat ohne Änderungen angenommen. Vgl. das BR-Prot. Nr. 306 vom 11. Februar 1966, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 706.1. Vgl. ferner das BR-Verhandlungsprot. der 7. Sitzung vom 1. Februar 1966, E 1003(-) 1994/26 Bd. 4, S. 2.