Am 21. Mai 1966 hatte der Vollzugsrat des Weltpostvereins den Nachfolger des altershalber zurücktretenden Generaldirektors4 des Internationalen Büros des Weltpostvereins zu ernennen. Seit jeher – wie der Herr Interpellant5 ja dargelegt hat – war dieser Posten mit Schweizern besetzt. Ursprünglich galt es als selbstverständlich, dass die Leitung der internationalen Organisationen, die sich in der Schweiz niederlassen, einem Bürger des Gastlandes anvertraut wurde. Diese Geste war als Zeichen der Anerkennung für das gewährte Gastrecht zu verstehen und entwickelte sich durch Jahrzehnte zu einer Tradition, die lange unangefochten blieb.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Emanzipation der Völker setzte eine grundsätzliche Wandlung in der Zusammensetzung der internationalen Ämter ein. Bis dahin bestanden sie vorwiegend aus Staaten der westlichen Hemisphäre. Durch die von Jahr zu Jahr grösser werdende Zahl der unabhängigen Staaten, die auf internationalem Boden ein Mitspracherecht forderten, haben diese Institutionen einen ungeahnten Zuwachs an Mitgliedern erfahren und sind zu weltumspannenden Organisationen geworden. Dadurch hat sich ihr Charakter gewandelt. Ein neuer Geist hielt Einzug und forderte nicht nur gleiches Recht für die jungen Staaten, sondern warf auch zahlreiche Probleme auf, die in der neu entstandenen Gemeinschaft ihrer Lösung harren. Mehr und mehr zeichnete sich auch die Tendenz zu zweckbedingten Block-Bildungen ab um materieller Vorteile willen6.
Angesichts solcher Veränderungen in der Struktur der internationalen Ämter und in ihrer geistigen Haltung bleibt wenig Aussicht, traditionsgebundene Gewohnheiten aufrecht zu erhalten. Die Zeit der Monopolansprüche einzelner Staaten ist endgültig vorbei. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass auch die von der Schweiz innegehabte Generaldirektion im Weltpostverein einem andern Staate überlassen werden musste7. Es dürfte wohl müssig sein, sich über eine Entwicklung zu beklagen, die kaum mehr aufzuhalten war. Ich verweise auf den Internationalen Fernmeldeverein8 und die Vereinigten Internationalen Büros zum Schutz des geistigen Eigentums, die beide in Bern9 beheimatet waren und in gleicher Weise wie der Weltpostverein unter schweizerischer Leitung standen. Im Zeichen der Zeit musste die Schweiz schon vor einigen Jahren die Leitung auch dieser Organisationen preisgeben.
Ob unser Land die Position im Weltpostverein mit einem andern Kandidaten noch einmal hätte halten können, ist angesichts der Zusammensetzung des Vollzugsrates sehr fraglich. Von den 27 Mitgliedern gehören allein zwölf der afro-asiatischen Gruppe an, während sechs Westeuropa und drei dem Ostblock zugehören, neben sieben Vertretern von Nord- und Latein-Amerika und Neuseeland. Gewählt wurde im zweiten Wahlgang ein hoher Chefbeamter ägyptischer Nationalität10.
Die Stimmenzahlen der Kandidaten zeigen, dass in erster Linie nach politischen und regionalen Gesichtspunkten gestimmt worden ist. Sämtliche Kandidaten11 kamen entweder aus den Kreisen der PTT-Verwaltungen der Mitgliedstaaten, oder aus dem Beamtenstab des Weltpostvereins selbst. Die Stellung der Schweiz war insofern etwas ungünstig, als sie nicht in der Lage war, einen Generaldirektor der Schweizerischen PTT-Betriebe zu präsentieren12. Die Gründe lagen teils im Alter, teils in der persönlichen Abneigung zur Übernahme der Leitung des Internationalen Büros des Weltpostver eins13. Dem vorgeschlagenen Abteilungschef14 der PTT-Betriebe wurde einige Jahre vor der Wahlsitzung des Exekutivrates ständig Gelegenheit gegeben, sich durch Teilnahme an internationalen Konferenzen und Arbeitssitzungen des Weltpostvereins in diesen Kreisen bekannt zu machen15. Wenn die Wahl schliesslich auf einen seit Jahren dem hohen Beamtenstab des Weltpostvereins selber angehörenden Ägypter fiel, so wurde damit unter anderem zum Ausdruck gebracht, dass qualifizierten Chefbeamten des Internationalen Büros des Weltpostvereins der Aufstieg zum Amte eines Generaldirektors nicht verschlossen bleiben sollte. Gegen eine solche Auffassung wird grundsätzlich nichts einzuwenden sein. Auf jeden Fall wurde seitens des Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes und des Politischen Departementes keine Mühe gescheut, um durch frühzeitige und vielfache persönliche Kontakte und auf zahlreichen diplomatischen Wegen die Unterstützung der im Vollzugsrat vertretenen Staaten zu gewinnen. Ich selber habe mich einmal im letzten Jahre nach dem Bürgenstock begeben, anlässlich der Sitzung des Vollzugsrates, um in verschiedenen Gesprächen zugunsten der Schweiz zu intervenieren. Die Sitzung in Paris16, von der Herr Nationalrat Wenger spricht, hatte nicht die Bedeutung, die ihr Herr Wenger beimisst.
Es ist wohl ein Irrtum zu glauben, der Misserfolg des schweizerischen Kandidaten hätte durch vermehrte Anstrengungen und Interventionen vermieden werden können. Hinsichtlich der von Herrn Nationalrat Wenger aufgeworfenen Frage der Wahrung der schweizerischen Interessen in den internationalen Organisationen ist zu sagen, dass bei rein technischen Problemen diese Interessenvertretung durch die Fachbeamten der zuständigen Departemente erfolgt. Soweit aber Fragen mit politischen Akzenten auf dem Spiele stehen, werden diese regelmässig von Beamten des Politischen Departementes, sei es der Zentrale oder des Aussendienstes, angemessen vorbereitet und in den zuständigen Gremien vertreten. Wir sind uns durchaus bewusst, dass angesichts der verschiedenen Struktur der internationalen Organisationen und Konferenzen es wichtig ist, dass die Fachdepartemente vom Politischen Departement entsprechend unterstützt werden.