I. Afrika
1. Im Sinne der ständigen bundesrätlichen Praxis, keine Kriegsmaterialexporte nach Gebieten zuzulassen, in denen ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstwie gefährliche Spannungen bestehen, wurden in den vergangenen Jahren Ausfuhrverbote gegenüber den nachstehenden Ländern erlassen2:
1955: Israel und die arabischen Staaten3
1965: Rhodesien.
Die Gründe, die den Bundesrat dazu bewogen haben, die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach diesen Ländern zu untersagen, dürfen als bekannt vorausgesetzt werden.
Was Nigeria anbelangt, so besteht gegen dieses Land ein de facto Embargo, da mit Ausnahme eines Gesuchs betreffend den Überflug schweizerischen Territoriums durch Flugzeuge, die für Nigeria bestimmt waren, nie um Ausfuhrbewilligungen nachgesucht wurde.
Im Hinblick auf seine eindeutige Parteinahme zugunsten der arabischen Länder im Nahost-Konflikt, unterseht der Sudan seit 1955 ebenfalls einem de facto Embargo.
2. Nachdem somit – abgesehen von Nigeria – nicht nur der Süden, sondern auch der Norden des afrikanischen Kontinents für schweizerische Waffenexporte gesperrt sind, stellt sich, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den jüngsten Vorkommnissen auf dem Kriegsmaterial-Sektor, die Frage, ob es nicht angezeigt wäre, ganz Afrika mit einem Embargo zu belegen5. Die vom Bundesrat am 8. Januar 1969 eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe6 hat in ihrer letzten Sitzung dieses Problem geprüft und ist dabei zu folgenden Schlüssen gelangt:
3. Die Kriegsmaterialexporte nach den afrikanischen Ländern halten sich, wie die nachstehende Übersicht zeigt, in bescheidenem Rahmen:
[...]7
Nachdem die wichtigeren potentiellen Absatzmärkte wie Südafrika und die arabischen Staaten für Kriegsmaterial-Exporte bis auf weiteres ohnehin ausgeschaltet sind, würde die Ausdehnung des Embargos auf ganz Afrika für unsere Industrie kaum schwerwiegende Konsequenzen zeitigen.
4. Auch vom politischen Standpunkt aus betrachtet, wäre eine vollständige Sperre, wie sie etwa von Schweden gehandhabt wird, zu verantworten. Die Problematik von Kriegsmaterial-Lieferungen nach Ländern, die mit Entwicklungshilfe bedacht werden und in denen immer wieder humanitärer Beistand erforderlich ist, erscheint in der Tat in keiner Weltgegend als so schwerwiegend wie gerade in Afrika. Das Beispiel Nigeria/Biafra8 zeigt dies mit aller Deutlichkeit.
5. Anderseits besteht zur Zeit kein unmittelbarer Anlass für eine ganz Afrika umfassende Ausfuhrsperre. Auch sollte davon Abstand genommen werden, ein Embargo über ganze Kontinente zu verhängen, da dies in der Öffentlichkeit leicht zu unerwünschten Kontroversen führen könnte, indem etwa die Frage aufgeworfen würde, warum, wenn schon Afrika mit einem Embargo belegt wird, ein solches nicht auch gegenüber Asien9 oder dem südamerikanischen Kontinent10 verhängt werden sollte, wo sich ebenfalls periodisch Unruhen und Umstürze zu ereignen pflegen. Die Schaffung eines Präzedenzfalls, dessen Anwendung auf andere Kontinente oder Weltgegenden für unsere Industrie weit schwerwiegendere Folgen haben müsste als für Afrika, sollte daher vermieden werden.
6. Wenn somit die Verhängung eines Waffenausfuhr-Embargos über ganz Afrika aus prinzipiellen Erwägungen als nicht angebracht erscheint, so sollten wenigstens diejenigen Staaten, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft von kriegs- oder konfliktbeherrschten Gebieten befinden oder sonstwie mit diesen in Beziehung stehen, mit einem de facto Embargo belegt werden. Es sind dies die folgenden: a) Für den Krisenherd Rhodesien: Mozambique, Tansania und Zambia11 (für welches in letzter Zeit Ausfuhrbewilligungen ohnehin nicht mehr erteilt worden sind); b) für den Krisenherd Nigeria/Biafra: Niger, Dahomey, Gabon; c) die portugiesischen Überseegebiete Angola, Mozambique12 und port.
Guinea, sowie der an Angola angrenzende Kongo-Kinshasa, resp. das port.
ad a) Mit Beschluss vom 17. Dezember 1965 hat der Bundesrat gegen Rhodesien ein Kriegsmaterialausfuhr-Embargo13 verhängt. Er tat dies unter dem Eindruck der wenige Tage zuvor erfolgten einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Regimes Jan Smith, sowie der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen Rhodesien ergriffenen Sanktionsmassnahmen. Diese wurden in der Folge verschiedentlich verschärft und gipfelten am 29. Mai vorigen Jahres in der Verhängung eines totalen Wirtschafts- und Dienstleistungs-Embargos14. Es ist eine unbestrittene Tatsache, das Rhodesien seine Wirtschaft nur dank massiven Zulieferungen durch die den Boykott des Sicherheitsrates missachtenden Nachbarländer Südafrika und Mozambique am Leben erhalten kann; anderseits operieren sowohl von Sambia als auch von Tansania aus Untergrundorganisationen (FRELIMO) gegen Rhodesien, deren erklärtes Ziel es ist, das weisse Minderheitsregime in Salisbury zu Fall zu bringen. Zu ihrer Bekämpfung sind wiederholt rhodesische, ja sogar südafrikanische Ordnungskräfte eingesetzt worden. Eine Abschwächung dieser latenten Krisenlage ist vorläufig nicht abzusehen.
ad b) Gegen Nigeria wurde, wie erwähnt, am 28. April 1967 ein de facto Kriegsmaterial-Embargo15 verhängt. Die Folgen des blutigen Bürgerkriegs haben sich inzwischen auch auf gewisse Nachbarländer ausgewirkt. So besteht der dringliche Verdacht, dass Geschütze der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon von Niger nach Nigeria gelangt sind16. Anderseits sollen von Gabon aus beträchtliche Waffenlieferungen nach Biafra erfolgen. Auch Dahomey dürfte in jüngster Zeit in vermehrtem Masse in das Waffengeschäft einbezogen worden sein. Der Einschluss dieser drei Randstaaten in das Nigeria-Embargo erscheint daher als angezeigt.
ad c) Die politische Spannung in den portugiesischen Besitzungen in Afrika hat sich in letzter Zeit ebenfalls erheblich verstärkt. Wenn es auch den untereinander uneinigen «Befreiungsbewegungen» bisher scheinbar nicht gelungen ist, grössere Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen, so nimmt doch die Guerilla-Tätigkeit in Angola, Mozambique und port. Guinea ständig zu. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die in Angola operierenden Rebellen teils im Kongo ausgebildet werden, teils von dort beträchtliche materielle Unterstützung empfangen. Ähnliches gilt von Guinea, welches seinerseits aufrührerische, gegen port. Guinea gerichtete Bewegungen schürt. Aus diesen Gründen dürfte es angezeigt sein, das Kriegsmaterial-Embargo auch auf den Kongo-Kinshasa und Guinea auszudehnen.
Mit zwei der oben genannten Staaten, resp. ihren Überseegebieten sind zur Zeit noch Kriegsmaterialausfuhr-Gesuche hängig; sie sind Gegenstand der beigehefteten Notiz17.
Im September 1965 beschloss der Bundesrat im Hinblick auf die Entwicklung des Kriegs um Kaschmir, jede Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Indien und Pakistan zu untersagen18. Nachdem es den beiden Konfliktparteien gelungen war, an der Konferenz von Taschkent ihre Differenzen zu bereinigen, wurde dieses Ausfuhrverbot im Mai 196619 mit gewissen Vorbehalten wieder aufgehoben.
Im Zusammenhang mit einem von Schweden gegen die beiden Staaten erlassenen Embargo ist die Frage nun erneut aufgeworfen worden. Nach Auffassung der Arbeitsgruppe besteht jedoch gegenwärtig keine Veranlassung, auf den Beschluss vom 10. September 1965 zurückzukommen. Weder haben sich die innerpakistanischen Unruhen zu einer eigentlichen Krise ausgeweitet, noch ist in den aussenpolitischen Beziehungen zwischen Pakistan und Indien eine Verschlechterung eingetreten, die den Erlass eines neuerlichen Embargos rechtfertigen würde.
Gestützt auf diese Überlegungen beehrt sich das Politische Departement im Einvernehmen mit dem Militärdepartement dem Bundesrat zu beantragen
1. Vom Erlass eines Kriegsmaterial-Embargos gegenüber ganz Afrika wird Abstand genommen. Hingegen wird, abgesehen von den bereits bestehenden de facto Embargos betreffend Nigeria und Sudan, der Export von Kriegsmaterial bis auf weiteres nach den folgenden afrikanischen Ländern untersagt:
Sambia, Tansania, Niger, Gabon, Dahomey, Angola, Mozambique, port. Guinea, Guinea und Kongo-Kinshasa.
2. Für Kriegsmaterial-Exporte nach Indien und Pakistan können im Rahmen des Bundesratsbeschlusses vom 28. März 194920 über das Kriegsmaterial nach wie vor Bewilligungen erteilt werden21.