dodis.ch/40604
Notiz für den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, E. Brugger1

BEZIEHUNGEN ZUR REPUBLIK ZAIRE: FALL LOSEMBE

Seit Herbst 1972 hat sich der Bundesrat mehrmals mit dem Fall des ehemaligen zairesischen Aussenministers Losembe beschäftigt. Zuerst mit dem von den zairesischen Behörden gestellten Auslieferungsbegehren, später mit dem Gesuch um Asylgewährung. Eine endgültige Lösung, die vom Justiz- und Polizeidepartement vorbereitet werden soll, steht noch aus2.

Wie sehr diese Angelegenheit, die von Präsident Mobutu sehr persönlich genommen wird, unsere gegenseitigen Beziehungen3 belastet, sei an folgenden zwei Beispielen dargelegt.

Von den von Präsident Mobutu in seiner Rede vom 30. November 1973 angekündigten Enteignungsmassnahmen sind bisher etwa 20 schweizerische In vestoren betroffen worden. Die Respektierung unseres Investitionsschutzabkommens4 ist der zairesischen Regierung durch unsere Botschaft in Kinshasa verschiedentlich in Erinnerung gerufen worden. Eine verbindliche Antwort steht indessen noch aus5. Es handelt sich dabei um eine typische Verzögerungstaktik. Vertraulichen Aussagen zufolge, die von Präsident Mobutu selbst stammen, würde eine Entschädigung der enteigneten Schweizerbürger innerhalb eines Jahres ohne weiteres möglich sein, sofern die Angelegenheit Losembe eine befriedigende Lösung finden sollte6 .

Zudem werden zur Zeit bedeutende, schweizerische Investitionsvorhaben7, wie die Errichtung eines Aluminiumwerkes durch Alusuisse (Gesamtinvestition ca. 150 Mio. $) sowie Neuinvestitionen durch Nestlé, durch die zairesischen Behörden absichtlich zurückgestellt und in direkten Zusammenhang mit dem Fall Losembe gebracht.

Schliesslich sei erwähnt, dass angeblich der zairesische Geheimdienst erfahren haben soll, dass Losembe kürzlich ein Buch geschrieben hat mit dem Titel: «Comment j’ai volé le voleur». Sollte dies zutreffen, so wäre eine Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz infolge politischer Tätigkeit um so gerechtfertigter8.

Da Zaire im September 1974 als Ehrengast am Comptoir Suisse teilnehmen wird9 (zusammen mit Ungarn und Ecuador), scheint uns die Dringlichkeit eines Entscheides in der Angelegenheit Losembe angezeigt, zumal das «timing» eine nicht unbedeutende Rolle spielt.

Selbstverständlich handelt es sich nicht um die Auslieferung Losembes, die vom Bundesgericht abgelehnt wurde, sondern um den definitiven Entscheid einer Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung, womit Losembe die Möglichkeit verbleiben würde, nach Spanien, Portugal oder einem anderen Drittland zu gehen. (Laut vertraulichen Berichten aus Zaire würde es für Präsident Mobutu scheinbar sogar genügen, wenn Losembe nach Liechtenstein versetzt würde10; für ihn handelt es sich lediglich darum, das Gesicht zu wahren. Für uns hingegen stehen wesentliche Interessen und zum Teil das gesamte Vermögen vieler Auslandschweizer auf dem Spiel!11)

1
Notiz: CH-BAR#E7001C#1985/231#645* (2310.1). Unterzeichnet von P. R. Jolles.
2
Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 118, dodis.ch/35748, Anm. 8; DDS, Bd. 26, Dok. 17, dodis.ch/38892, Punkt 6; die Notiz von A. R. Hohl vom 31. August 1972, dodis.ch/40645; das Schreiben von O. Schürch an E. Thalmann vom 24. Oktober 1972, dodis.ch/40646; den Bericht von O. Schürch vom 15. November 1972, dodis.ch/40647; das Schreiben von H. Langenbacher an E. Thalmann vom 26. März 1973, dodis.ch/40648 sowie die Aufzeichnung von P.-Y. Simonin vom 25. Juni 1973, dodis.ch/40649.
3
Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 1, dodis.ch/33689, und Dok. 39, dodis.ch/33051; DDS, Bd. 25, Dok. 118, dodis.ch/35748; die Notiz von E. Moser an R. Keller vom 13. Mai 1974, dodis.ch/40641 sowie die Notiz von E. Thalmann an G. A. Chevallaz vom 11. September 1974, dodis.ch/40642.
4
Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 706 vom 24. April 1972, dodis.ch/36639.
5
Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 76, dodis.ch/38817, Anm. 5.
6
Vgl. dazu die Notiz C. Huguenin vom 7. Juni 1974, dodis.ch/40651.
7
Vgl. dazu die Notiz von J.-P. Weber vom 23. Juli 1974, dodis.ch/40640.
8
Zur Problematik von Asylgesuchen politischer Persönlichkeiten in der Schweiz vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 60, dodis.ch/14895; DDS, Bd. 25, Dok. 43, dodis.ch/35749; DDS, Bd. 26, Dok. 17, dodis.ch/38892, Anm. 15; das Schreiben von A. R. Hohl an R. Pestalozzi vom 18. Mai 1973, dodis.ch/40378; das Schreiben von A. R. Hohl an O. Schürch vom 23. Juli 1974, dodis.ch/40860 sowie das Schreiben von F. H. Andres an E. Thalmann vom 23. Juni 1975, dodis.ch/40108.
9
Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E2001E-01#1987/78#883* (C.40.88.1).
10
Vgl. dazu die Notiz von A. R. Hohl an E. Fasel vom 11. Juni 1974, dodis.ch/40652.
11
B. Losembe ist am 3. Dezember 1974 nach der Gewährung einer allgemeinen präsidentiellen Amnestie für politische Häftlinge und Flüchtlinge nach Zaire zurückgekehrt. Vgl. dazu die Notiz von C. Huguenin vom 13. Dezember 1974, dodis.ch/40653.