dodis.ch/43979
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 10 mars 19191

899. Völkerbundsvertrag

Das politische Departement wurde durch Minister Stovall eingeladen, ihm zuhanden von Oberst House die Bemerkungen mitzuteilen, die vom Standpunkt der Schweiz zum Entwurf eines Völkerbundsvertrages der Friedenskonferenz in Paris zu machen wären. Zu diesem Zwecke hat das politische Departement auf Grund der Beschlüsse der bundesrätlichen Expertenkommission vom Februar 19192 Thesen ausarbeiten lassen und legt sie vor. Das Departement ersucht den Bundesrat um Zustimmung zu diesen Postulaten. Es handelt sich heute nicht darum, über den Beitritt der Schweiz Beschluss zu fassen, sondern lediglich um einen vorläufigen Meinungsaustausch. Die Frage, ob der vorliegende Vertragsentwurf von den Neutralen unverändert angenommen werden muss, oder ob wir noch Gelegenheit haben werden, uns dazu zu äussern und eventuell Änderungen vorzuschlagen, ist übrigens noch nicht klar entschieden.

Auf Antrag des politischen Departements wird Herr Professor Max Huber zur Sitzung zugelassen; er erläutert die Thesen des Departements, die folgendermassen lauten:

«1. Die Schweiz erachtet die Ausschliessung von Staaten, namentlich solchen, die nach ihrer geographischen Lage und ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen auf den Verkehr aus den Gliedstaaten angewiesen sind, als geeignet, Gegenallianzen hervorzurufen und dadurch den Frieden zu gefährden. Es sollte festgestellt sein, dass alle Staaten zugelassen werden, welche die nötigen Garantien für die Erfüllung der aus dem Völkerbund sich ergebenden Pflichten bieten. Die Entscheidung darüber, ob im einzelnen Falle diese Voraussetzung erfüllt ist, sollte von der Delegiertenversammlung getroffen werden.

2. Die Schweiz muss aus den in ihrem Memorandum von 8. Februar 19193 dargelegten Gründen an ihrer Neutralität festhalten und zwar um so mehr, als nach dem Entwurf der Pariser Konferenz der Krieg als ein völkerrechtlich zulässiges Mittel zur Wahrnehmung staatlicher Interessen aufrechterhalten bleibt. Sie kann für die ausnahmsweisen Fälle, in denen der Krieg als Rechtsbruch vom Völkerbund bekämpft wird, ihre Neutralität nicht aufgeben, da diese alsdann im gewöhnlichen Krieg kaum respektiert würde. Überdies glaubt die Schweiz, auch bei gemeinsamen militärischen Unternehmungen des Völkerbundes diesem in ihrer Neutralität grössere Dienste als durch aktive Teilnahme an einem Feldzug leisten zu können.

Dabei wäre es gegeben, dass die Neutralität nicht so ausgelegt werden könnte, dass eine Unterstützung irgendwelcher Art dem vom Völkerbund bekämpften Staate gewährt werden dürfte.

3. Die Schweiz würde es begrüsst haben, wenn der Völkerbund eine lückenlose Friedenssicherung geboten hätte. Jedenfalls erachtet sie es als im grössten Grade wünschenswert, dass dem Grundsätze obligatorischer Schiedsgerichtsbarkeit ein möglichst weites Anwendungsgebiet im Völkerbund gesichert werde, und dass der Exekutivrat erst da eingreife, wo weder durch von den Parteien freigebildete Vergleichskommissionen noch durch Schiedsgerichte ein Entscheid herbeigeführt werden kann.

Die Schweiz muss diesen Wunsch um so nachdrücklicher äussern als den Nichtgrossmächten eine sehr beschränkte Mitwirkung im Executivrat eingeräumt

4. Die Schweiz möchte, ohne die Bedeutung der Grossmächte für die Wirksamkeit des Völkerbundes zu verkennen, den Grundsatz der Gleichheit der Staaten besser gewahrt sehen.

4a. Der Widerspruch, der zwischen Artikel XII (Absatz 2)4 und Art. XV (Absatz 2 am Schluss) besteht, sollte in dem Sinne behoben werden, dass die weitergehende Bindung inbezug auf Ausschluss des Krieges nach Art. XII massgebend wäre.

5. Es ist zu wünschen, dass die Befugnisse des Völkerbundes noch deutlicher bestimmt werden, insbesondere dass einerseits die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Gliedstaaten ausdrücklich ausgeschlossen, anderseits der Ausbau des internationalen Rechts durch die Versammlung der Delegierten geordnet werde.

6. Die Frage der Kündbarkeit oder Unauflösbarkeit des Bundes erfordert eine deutliche Beantwortung. Wenn allgemein verbindliche Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden können, so sollten entweder gewisse Grundrechte vertragsmässig festgelegt oder aber das Kündigungsrecht Vorbehalten werden.

7. Da die Neutralen bis jetzt keine Gelegenheit zur Mitwirkung gehabt haben, sollten an dem Entwurf vom 14. Februar 1919 noch Änderungen vorgenommen werden können. Die Schweiz würde es vorgezogen haben, wenn der Friedensvertrag lediglich einige Grundsätze betr. Ausarbeitung der Völkerbundsverfassung einer allgemeinen Konferenz überlassen hätte, welche unmittelbar nach Friedensschluss zusammengetreten wäre.

B. Die Übernahme der Kriegsschulden, bzw. die Garantierung von Kriegskontributionen, kann nicht Aufgabe des Völkerbundes sein.»

Zu These 2 wird bemerkt, es könnte noch hervorgehoben werden, dass der Begriff der schweizerischen Neutralität in demjenigen der Unverletzbarkeit ihres Gebietes aufgeht und dass, falls die Schweiz Sitz der Organe des Völkerbundes werden sollte, diese Unverletzbarkeit zum eminenten Vorteil des Völkerbundes gereichen würde.5

Zu These 3, Abs. 1, wird der Wunsch ausgesprochen, den Wortlaut zu verdeutlichen im Sinne des absoluten Kriegsverbotes; ferner sollten die Befugnisse des Schiedsgerichtes gegenüber denjenigen des Executivrates besser abgegrenzt und erweitert werden. Die Frage, ob die internationalen Streitigkeiten rechtlicher oder politischer Natur demnach durch gerichtliche Organe oder durch den Exekutivrat zu beurteilen sind, sollte von einer dritten Instanz, einer Cour des Conflits, entschieden werden.6

Den übrigen Thesen wird widerspruchslos beigepflichtet und der ganzen Vorlage in dem Sinne zugestimmt, dass das politische Departement ermächtigt wird, an derselben noch einzelne redaktionelle Änderungen anzubringen.7

1
E 1004 1/270. Etaient absents: G. Motta, E. Müller.
2
Cf. no 178.
3
Cf. no 177.
4
Le projet de la Conférence de la Paix est reproduit en annexe au no 183.
5
La rédaction finale de l’article 2, qu’on trouve dans le télégramme no 4 du 13 mars 1919 à la Légation de Suisse à Washington (cf. no 246) ajoute à la fin du premier alinéa de la thèse 2 la phrase suivante: Auch wäre zu erwägen, ob nicht dauernd neutrale Staaten, deren Gebiet unverletzlich ist, sich in besonderem Masse für den Sitz der Völkerbundsorgane eigneten.
6
La première phrase de la thèse 3 a été modifiée ainsi: Die Schweiz würde es begrüsst haben, wenn der Völkerbund durch ein absolutes Verbot des Krieges eine lückenlose Friedenssicherung geboten hätte. On y ajouta l’alinéa suivant: Die Entscheidung darüber, ob ein Streitfall sich zur richterlichen Beurteilung eignet, sollte wenn möglich nicht in das Ermessen der Parteien gelegt sein, sondern durch eine Instanz getroffen werden, welche selber die wesentlichen Eigenschaften eines Gerichtes besitzt.
7
Les modifications rédactionelles apportées sont: ad 4a: Demnach würde der Krieg im Falle der Zustimmung der belangten Parteien zum Vorschlag des Exekutivrates immer ausgeschlossen sein, auch dann, wenn der Vorschlag (recommandation) des Exekutivrates nicht einstimmig gefasst worden wäre. ad 4: Insbesondere sollte bei der internationalen Justizorganisation die Rechtsgleichheit der Staaten unverkümmert bleiben, und der Bundesrat gestattet sich, in dieser Beziehung speziell auf den Entwurf seiner Expertenkommission hinzuweisen. La thèse 8 manque dans le télégramme no 4 à Washington.