dodis.ch/44266
Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Ministre de Suisse à Paris, A. Dunant1

Am 18. d.M.2 sahen wir uns veranlasst, Sie telegraphisch zu ersuchen, bei der französischen Regierung darauf hinzuweisen, dass die französischen Kohlenlieferungen aus dem Saarbezirk durchaus ungenügende sind und dem Abkommen vom 25. März 19192 keineswegs entsprechen. Wir ersuchten Sie, gegen diese Vertragsverletzung energisch zu protestieren.

In der Tat hat Frankreich trotz immer wieder erfolgter Zusicherungen schon seit längerer Zeit die versprochene Kohlenmenge von 60’000 Tonnen monatlich bei weitem nicht geliefert. Statt 6CT000 Tonnen haben wir im Monat Juni ca. 35’000 Tonnen, im Monat Juli sogar nur ca. 30’000 Tonnen erhalten. Aller Voraussicht nach werden die August-Eingänge noch bedeutend hinter diesen Ziffern Zurückbleiben, indem in den letzten Tagen die Zufuhren aus der Saar ganz bedenklich zurückgegangen sind. Wir bitten Sie deshalb eindringlich, nichts unterlassen zu wollen, um die französische Regierung auf diese unhaltbare Situation aufmerksam zu machen und sie zur uneingeschränkten Vertragserfüllung zu bewegen.3 Zu Ihrer allgemeinen Orientierung fügen wir noch Folgendes bei:

Die Aussichten für die Kohlenversorgung unseres Landes in der kommenden Heizperiode sind schlimmer als je. Wir glaubten zuversichtlich, darauf rechnen zu können, von Belgien monatlich ca. lOO’OOO Tonnen zu erhalten. Wie Sie wissen, hat die belgische Regierung kürzlich die Ausfuhr von Kohle vollständig untersagt.4 Sie macht einzig eine Ausnahme zugunsten Frankreichs, welches Land monatlich 350’000 Tonnen erhält. Wir stehen allerdings gegenwärtig mit Belgien in Unterhandlung, können aber im günstigsten Falle und unter sehr lästigen Bedingungen auf ein Monatsquantum von 20 bis 30’000 Tonnen rechnen. Was ein Ausfall von monatlich 70 bis 80’000 Tonnen für unser Land bedeutet, liegt auf der Hand. Umsomehr sind wir genötigt, die äussersten Anstrengungen zu machen, von unsern übrigen Kohlenlieferanten strikte Vertragserfüllung zu verlangen. Hier fällt eben vor allem aus Frankreich in Betracht.

Die Bezüge aus England sind sehr bescheiden und belaufen sich auf monatlich nur ca. 25’000 Tonnen. Sie werden bald gänzlich aufhören, da während den Wintermonaten englische Kohlen überhaupt nicht erhältlich sind. In Amerika haben wir zwar bedeutende Abschlüsse gemacht, die auch ziemlich regelmässig zur Lieferung kommen. Allein, die amerikanische Kohle ist ausserordentlich teuer, eignet sich nur für bestimmte Zwecke und ist infolge der grossen Transportschwierigkeiten immer bis zu einem gewissen Grade unsicher.

Zu besondern Bemerkungen gibt uns noch der Bezug von Ruhrkohle Veranlassung. Wir haben mit der deutschen Regierung ein Abkommen getroffen, wonach uns monatlich 50’000 Tonnen Ruhrkohle und 12’000 Tonnen Braunkohlenbriketts zu liefern sind.

Die effektiven Eingänge sind jedoch, namentlich was die Ruhrkohle anbelangt, weit hinter diesen Ziffern zurückgeblieben, indem wir beispielsweise im Juli nur ca. 19’000 Tonnen Ruhrkohle erhalten haben. An eindringlichen Vorstellungen bei den deutschen Behörden haben wir es nicht fehlen lassen. Wir sahen uns veranlasst, durch beträchtliche Reduktion unserer Lebensmittellieferungen zu versuchen, den nötigen Druck auszuüben. Allein, Deutschland antwortet, es sei ihm einfach unmöglich, der Schweiz mehr zu liefern, da – abgesehen von dem grossen Produktionsausfall – seine Lieferungsverpflichtungen gegenüber Frankreich die geförderten Mengen fast vollständig beanspruchen. Wir möchten Sie nun bitten, bei der französischen Regierung auch in dem Sinne vorstellig zu werden,5 dass Frankreich seine Ansprüche auf Ruhrkohle zugunsten der Schweiz etwas ermässigt. Diese Zumutung lässt sich nicht nur damit rechtfertigen, dass die Schweiz einer grossen Kohlenkalamität entgegengeht, sondern namentlich auch damit, dass diese Kalamität nicht zum kleinsten Teile darauf zurückzuführen ist, dass Frankreich uns gegenüber seine Verpflichtungen in so ausserordentlich ungenügender Weise erfüllt hat.

Entgegen den Erwartungen, die wir noch vor einigen Monaten hegen konnten, ist die Frage der Kohlenversorgung gegenwärtig wieder zu einem der allerschwierigsten Probleme für unser Land geworden. Wir möchten Sie also dringend ersuchen, im angedeuteten Sinne Ihr möglichstes zu tun, dass der Schweiz eine Kohlenkatastrophe erspart bleibt.

1
Lettre: EVD Zentrale 1914-1918/24-25no 5548a. Kohlenversorgung. Paraphe: KW.
2
Non reproduit, cf. E 2200 Paris 1/1551. 2, Cf. DDS 7/1, no 283.
3
Dans une lettre du 2 5 août, le Ministre Dunant résume un entretien au Ministère de la Reconstitution Industrielle au sujet du charbon delà Sarre: [...] M. Cahen nous a déclaré que, d’après les derniers rapports reçus de la Sarre, la production serait largement suffisante pour permettre aux trains suisses d’emporter leurs 60.000 tonnes. La difficulté, selon lui, doit résulter de l’acheminement irrégulier de notre matériel, soit que des wagons soient détournés de leur destination, soit qu’ils restent en souffrance sur un point quelconque du parcours. [...] (E 2200 Paris 1/1551).
4
Cf. no 28.
5
Cf. no 65.