dodis.ch/44330
Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Ministre de Suisse à Berlin, A. von Planta1

Mit Schreiben vom 14. ds.2 haben Sie uns mitgeteilt, dass die Verhandlungen in Versailles noch zu keiner Lösung geführt haben.

Da es hienach ziemlich wahrscheinlich ist, dass bis zur Anerkennung der Zollzahlung in Gold durch die Ententestaaten oder bis zum freiwilligen Rückzug der bezüglichen deutschen Verfügung noch geraume Zeit verstreichen wird, so müssen wir Sie nun bitten, in aller Form mündlich und schriftlich im Auswärtigen Amt vorstellig zu werden, und zu verlangen, dass die Goldzahlung an unserer Grenze unverzüglich eingestellt werde. Wir bitten Sie, sich auf die Meistbegünstigungsklauseln des Art. 1 des Handelsvertrags zu berufen, nach welchen es ausser Zweifel ist, dass eine tatsächliche, wenn auch unfreiwillige Begünstigung, oder ein Vorrecht «einer dritten Macht», auch uns zugute kommen muss. Es geht nicht an, dass wir noch länger den stetig steigenden Goldzuschlag entrichten, während England und Frankreich sich demselben nachhaltig widersetzen. Wir dürfen erwarten, dass die deutsche Regierung unserer Aufforderung ohne Zögern nachkommen werde, nachdem wir uns nun schon zwei Monate lang geduldet und in der vergeblichen Hoffnung auf eine baldige Regelung der Angelegenheit die Nachteile einer differentiellen Behandlung bei stetig wachsendem Agio auf uns genommen haben. Eigentlich müssten wir auch die Rückvergütung der bis jetzt entrichteten Zuschläge verlangen. Wir nehmen aber vorläufig Umgang davon, um Komplikationen zu vermeiden. Sobald unserm Begehren entsprochen worden ist und die Berechtigung desselben also anerkannt sein wird, kann die Forderung einer Rückvergütung mit um so grösserer Zuversicht gestellt werden.

Dadurch, dass wir uns heute darauf beschränken, uns gegen die Zollzahlung nur gestützt auf unsere Rechte der meistbegünstigten Nation zu verwahren, möchten wir Deutschland natürlich nicht ohne weiteres zugeben, dass wir den Goldzuschlag an sich als berechtigt anerkennen. Mündlich dürften Sie vielmehr andeuten, dass wir uns eine Stellungnahme in dieser Hinsicht noch Vorbehalten. Wie Sie wissen, fehlt es bei uns nicht an Stimmen, welche die Ansicht vertreten, dass der Zollzuschlag mit dem Handelsverträge nicht vereinbar sei und daher von Anfang an hätte bekämpft werden sollen. Diese Meinung ist sogar ziemlich allgemein verbreitet und wird u.a. auch vom Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins vertreten. Wenn wir uns gleichwohl bis jetzt nicht entschliessen konnten, gegen die deutsche Verfügung grundsätzlich Protest einzulegen, so ist es deshalb, weil wir glauben, dass die deutsche Regierung triftige EinWendungen dagegen machen und unser Standpunkt sich deshalb als unhaltbar erweisen könnte. Es könnte uns nämlich nach unserer Ansicht mit Recht entgegengehalten werden, dass Deutschland die Goldwährung hat, die im Handelsvertrag vereinbarten Markzölle daher in Gold oder Goldwert verstanden sein müssten. Des weitern könnte uns entgegnet werden, dass der Goldzuschlag keine Zollerhöhung bedeute, sondern nur ein Ausgleich des Kursgewinns sei, den der schweizerische Lieferant der Ware tatsächlich machte, solange er den Zoll in Papier entrichten konnte. Dieser Profit hatte die gleiche Wirkung wie eine Zollherabsetzung und konnte von den Parteien beim Abschluss des Vertrags nicht beabsichtigt worden sein. Es ist übrigens sogar wahrscheinlich, dass Deutschland die Goldzahlung trotz der Goldwährung noch extra ausbedungen hätte, wenn die Papiermark schon damals unterwertig gewesen wäre oder eine namhafte Entwertung derselben wie die heutige hätte geahnt werden können.

Wir bitten Sie, Herr Minister, uns von der Note, welche Sie an das Auswärtige Amt richten werden,3 eine Abschrift zu schicken und versichern Sie bei diesem Anlass unserer ausgezeichneten Hochachtung.

1
Lettre (Copie): EVD Zentrale 1914-1918/21-22155/MR. Zollzahlung in Gold. Paraphe: KW.
2
Non retrouvée.
3
Reproduite en annexe.