dodis.ch/44377
Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Ministre de Suisse à Berlin, A. von Planta1

Bekanntlich geht Ende dieses Monats das deutsch-schweizerische Wirtschaftsabkommen vom 1. Juni d.J. zu Ende.2 Wir stehen schon seit einiger Zeit mit der hiesigen deutschen Gesandtschaft in Verbindung, um eine Verlängerung, resp. Erneuerung dieses Abkommens wenn möglich zu erwirken. Dabei sind aber verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden, vor allem aus ist es der Schweiz ausserordentlich schwierig geworden, die im letzten Abkommen vorgesehenen Lebensmittel zur Ausfuhr nach Deutschland freizugeben. Während man darüber einig ist, dass die Lieferung von Vieh nicht in Frage kommen kann, nachdem Deutschland die ihm nach dem letzten Abkommen zustehenden Mengen infolge des durch die Valuta enorm verteuerten Preises nicht bezogen hat und eine Abgabe während der Wintermonate ausgeschlossen ist, so beharren die deutschen Vertreter vor allem aus auf der Abgabe von Milchprodukten und Reis. Das Eidg. Ernährungsamt hat sich schliesslich damit einverstanden erklärt, im Interesse der Bezugsmöglichkeit von Kohle und Kunstdünger die Verpflichtung zur Abgabe von Milchprodukten und Reis in bisherigem Umfange auf sich zu nehmen, wobei ja immer die Klausel bestehen bleibt, dass nur im Rahmen des Möglichen geliefert wird. Bei dieser Gelegenheit machen wir darauf aufmerksam, dass schweizerischerseits die vertraglich vorgesehenen Lebensmittel sozusagen vollständig geliefert worden sind, während die deutschen Lieferungen an Kohle sowohl als an Kunstdünger weit hinter den vertraglichen Mengen zurückblieben.

Die Hauptdifferenz, die gegenwärtig noch besteht, bezieht sich auf Kohlenmengen und Kohlenpreise. Wir haben zur absoluten Bedingung gemacht, dass eine Verlängerung des Abkommens nur dann in Frage kommen kann, wenn auch der Kohlenlieferungsvertrag zwischen dem Kohlenkontor und der Kohlengenossenschaft in Basel, abgeschlossen am 9. Mai d.J., um die gleiche Dauer wie das Abkommen selbst verlängert wird. Dabei stehen wir (und die Deutsche Gesandtschaft mit uns) auf dem Boden, dass sich eine Preiserhöhung für die Kohlen nicht rechtfertigen lässt. Wenn, wie dies kürzlich Herr Kommerzienrat Hahn, der Vertreter des Kohlenkontors, anlässlich seines Aufenthaltes in der Schweiz getan hat, deutscherseits darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Schweiz für englische und amerikanische bedeutend höhere Preise als [für die Ruhrprodukte bezahlt, so ist dies zum mindesten sehr ungenau. Die Preise für englische und amerikanische Kohlen ab Zeche sind bedeutend billiger als diejenigen für Ruhrkohlen. Allerdings kommt dann zu diesen Zechenpreisen ein Vielfaches für Frachten, sodass die Preise franko Schweizer grenze natürlich höher sind als diejenigen der deutschen Kohlen, während die Preise für die belgischen und Saarkohlen auch franko Schweizergrenze ziemlich unter denen der deutschen Provenienz liegen. Eine Preiserhöhung für die Ruhrkohlen würde hier einen sehr schlechten Eindruck machen und stark an das Verhalten Deutschlands im Mai 1918 erinnern, wo bekanntlich unsere schlimme Situation von Deutschland rücksichtslos ausgenützt worden ist.

Wir glauben übrigens, dass eine Preiserhöhung auch nicht etwa deshalb notwendig wäre, um als Ansporn für eine vermehrte Lieferung nach der Schweiz zu dienen, da unseres Wissens für die deutschen Kohlen von keiner Seite mehr oder auch nur gleichviel bezahlt wird wie von der Schweiz.

Die deutsche Gesandtschaft scheint diesen Standpunkt in Berlin ebenfalls eingenommen und dort angeregt zu haben, man möchte das Kohlenkontor veranlassen, einer Verlängerung des Kohlenlieferungsvertrages zu den bisherigen Bedingungen beizupflichten. Unterdessen hat aber die Kohlengenossenschaft vom Kohlenkontor Bericht erhalten, eine Verlängerung zu den bisherigen Preisen sei ausgeschlossen. Unter der Hand vernehmen wir, dass man von einer Preiserhöhung von Fr. 20.– per Tonne spricht.

Wir haben uns mit der deutschen Gesandtschaft dahin verständigt, dass vorläufig weder die Kohlengenossenschaft noch wir in dieser Kohlenpreisfrage weitere Schritte unternehmen, sondern dass wir das Resultat der von der Gesandtschaft in Berlin unternommenen Anstrengungen abwarten.

Wir wollen nicht verfehlen, Sie über diesen Stand der Dinge zu orientieren, da Sie wahrscheinlich Gelegenheit haben werden, die Angelegenheit an massgebender Stelle zur Sprache zu bringen und dabei namentlich darauf zu dringen, dass eine Kohlenpreiserhöhung vermieden werden sollte. Wir möchten heute nur noch beifügen, dass die Verlängerung des Abkommens voraussichtlich einfach auf dem Wege des Notenwechsels vereinbart würde, wobei die Dauer der Verlängerung 6 Monate betragen dürfte.3

1
Lettre (Copie): EVD Zentrale 1914-1918/56-57Wirtschaftsabkommen mit DeutschlandDeutschland. Paraphe: KW.
2
Cf. DDS 7/1, nos 194, 213, 397.
3
Pour la suite de cette affaire, cf. nos 172, 178.