dodis.ch/44441
Le Ministre de Suisse à Londres, G. Carlin, à la Division des Affaires étrangères du Département politique
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Betr.Völkerbund. Zur Ihrer persönlichen Information und in streng konfidentieller Weise gebe ich Ihnen nachstehend ein Resumé über ein von der juristischen Abteilung des Generalsekretariates des Völkerbundes an die englische Regierung übergebenen Memorandums über die Schweiz. Neutralität für den Fall, dass an der ersten Sitzung des Executiv-Rates des Völkerbundes diese Frage gestellt werden sollte.

Die Frage, ob die Schweiz. Neutralität mit der Eigenschaft eines Völkerbundsmitglieds vereinbar sei, kann nicht unbedingt und allgemein beantwortet werden. Eine wirtschaftliche, politische, finanzielle, moralische und militärische Neutralität kann von den Mitgliedern im Falle eines Krieges zwischen zwei Staaten, wie in Art. 15 des Paktes vorgesehen, bewahrt werden. Im Falle des Art. 16 dagegen könnte eine allgemeine Neutralität in ihren traditionellen Formen nicht zugelassen werden. Anderseits wurden die im Jahre 1815 zugunsten der Schweiz auf gestellten Garantien von allen den Art. 435 des Versailler-Friedens-Vertrages unterzeichnenden Mächten als ein internationales Abkommen zur Aufrechterhaltung des Friedens anerkannt. Diese Garantien bestehen hauptsächlich in der immerwährenden Neutralität der Schweiz und in der Unverletzbarkeit ihres Territoriums. Die Unterzeichneten Mächte sind, indem sie Ligamitglieder werden, verpflichtet, die Verpflichtungen auf die sich die Schweiz. Neutralität stützt, als mit dem Art. 21 des Paktes übereinstimmend anzuerkennen. Es sollte jedoch näher bezeichnet werden, dass diese internationalen Verpflichtungen nur die militärische Neutralität betreffen können. Es besteht kein Zweifel darüber, selbst im buchstäblichen Sinn des Art. 435, dass die Garantien von 1815 nur die militärische Neutralität und die Unverletzbarkeit des Schweiz. Gebietes betreffen. Es könnten tatsächlich gewisse heikle Punkte zu Tage treten, denen aber die Schweiz. Regierung in ihrer Botschaft in zufriedenstellendster Weise selbst vorgebeugt hat (folgt unverständlicher Satz. Wiederholung desselben wurde verlangt)2. Im Hinblick auf die den Friedensvertrag von Versailles unterzeichnenden Mächte ist diese Lösung der Frage, die dem Art. 435 des Paktes am besten entsprechende. Es ist wahr, dass die Völkerbundsmitglieder, die den Versailler-Vertrag nicht unterzeichnet haben, durch den Art. 435 nicht gebunden sind, doch ist die Frage von geringer Bedeutung, da alle grossen Mächte und die unmittelbaren Nachbarn der Schweiz Vertragsparteien sind.3

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(Copie de réception): E 2001 (B) 8/5. T nos 7 et 8.
2
Le télégramme no 11 du 16 janvier reprenait la phrase mutilée: Errichtung der obersten Leitung des Völkerbundes in der Schweiz während eines Krieges, Einrichtung der drahtlosen Telegraphie, u.s.w. (E 2001 (B) 8/5).
3
Par télégramme no 9 du 16 janvier (reçu le même jour), le Ministre Carlin poursuivait: Es könnten sich einige Differenzen über einen ändern Punkt ergeben. Auf Seite 47 der Botschaft /FF, 1919, vol. IV, pp. 612 ss./behauptet die Schweiz, sie würde im Falle eines Krieges des Völkerbundes die persönlichen und diplomatischen Beziehungen mit dem widerspenstigen Staat aufrechterhalten. Obwohl man an die Nützlichkeit dieser Beziehungen denkt, könnten sie durch die Anerkennung der Neutralität nicht gedeckt werden, welch letztere in beschränktem Sinn aufgefasst werden muss und deren Aufrechterhaltung ein besonderes Abkommen zwischen der Schweiz und den ändern Liga-Mitgliedern erfordern wird. Es wäre vielleicht das beste, entweder auf dem Wege einer Konvention oder durch eine unzweideutige Erklärung der schweizerischen Regierung festzulegen, welches genau die Pflichten der Schweiz im Völkerbund sind. Wie dem auch sei, scheint uns die schweizerische Neutralität mit den oben erwähnten Einschränkungen keineswegs im Widerspruch zu den Eigenschaften eines Völkerbundsmitgliedes. Schluss des Resumes. (E 2001 (B) 8/5).