dodis.ch/44552
Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Chef du Département politique, G. Motta1

Wir empfingen Ihr Schreiben vom 11.ds. (B 51.352. J l.A.T.),2 mit welchem Sie uns davon Kenntnis geben, dass die Verhandlungen mit Frankreich, Belgien und Italien betreffend die Behandlung der durch den Krieg geschädigten Schweizerbürger bis jetzt resultatlos verlaufen sind, indem die Regierungen der genannten Länder es ablehnen, die Sinistrés schweizerischer Nationalität hinsichtlich der Entschädigungen den eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen. Sie werfen die Frage auf, ob es, was speziell Italien anbetrifft, nicht angezeigt wäre, diese Frage im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Abschluss einer Arbeitsübereinkunft weiter zu verfolgen, wobei als Kompensation für die Gleichstellung der italienischen Staatsangehörigen in der Sozialversicherung zu verlangen wäre, dass die Schweizerbürger, welche in Italien durch den Krieg zu Schaden gekommen sind, gleich behandelt werden wie die Kriegsgeschädigten italienischer Nationalität.

Wir sind mit Ihnen der Auffassung, dass alle Möglichkeiten, die berechtigten Interessen der kriegsgeschädigten Schweizer wirksam zu vertreten, geprüft werden müssen. Ob es sich empfiehlt, diese Frage mit den Verhandlungen betreffend die Arbeitsübereinkunft mit Italien zu verbinden, erscheint uns indessen zweifelhaft. Es bestehen unseres Erachtens gegen eine solche Lösung namentlich insofern Bedenken, als es sich bei der Entschädigungsfrage unsererseits um einen Rechtsanspruch handelt, während die Wohltaten der schweizerischen Sozialgesetzgebung grundsätzlich nur dann auch den ausländischen Arbeitern eingeräumt werden können, wenn das Ausland in der Lage ist, materiell Gegenrecht zu halten. Dazu kommt, dass eine Vereinbarung mit Italien im Sinne Ihrer Anregung unsere Ansprüche gegenüber Frankreich und Belgien präjudizieren würde, was umso unerwünschter wäre, als die Interessen der kriegsgeschädigten Schweizer in diesen Ländern viel grösser sind als in Italien. Wie wir Ihrem Schreiben entnehmen, beläuft sich der Totalbetrag der Kriegsschäden in Italien, die bis zum 31. März von Schweizerbürgern angemeldet worden sind, nur auf etwa 100000 Franken, also auf eine relativ recht unbedeutende Summe, sowohl im Vergleich zu den Leistungen, welche sich für die Schweiz auf dem Gebiete der Sozialversicherung durch die Gleichstellung der italienischen und der schweizerischen Staatsangehörigen ergeben würden, als auch im Vergleich zu den Forderungen aus Kriegsschäden gegenüber Frankreich und Belgien.

Immerhin möchten wir Ihnen vorschlagen, diese Angelegenheit an der Konferenz, die wir mit unserm Schreiben vom 19.ds. angeregt haben, zu besprechen.

Wir möchten auch noch darauf hinweisen, dass es sich bei dem Zugeständnis, das Italien in der Arbeiterfrage gemacht werden müsste, um eine dauernde KonZession handeln würde, deren Wert auf mindestens jährlich 700000 Franken geschätzt werden muss. Werden nun, wie es wahrscheinlich ist, die Entschädigungen der Unfallversicherungsanstalt erhöht, so steigt diese Summe. Die Schweiz würde also viel besser tun, die Geschädigten aus ihrer eigenen Tasche zu bezahlen, statt Italien ein solches Zugeständnis zu machen. Aber wir finden überhaupt, dass zwei so verschiedene Gebiete nicht miteinander verknüpft werden sollten, zumal es sich eben hier um einen einmaligen Fall handelt, während das Zugeständnis ein dauerndes wäre. Dazu kommt nun noch, wie bereits berührt, dass mit einer Konzession bei Belgien und Frankreich nichts erwirkt werden könnte, da die in Betracht fallenden Arbeiter dieser Länder keine hohe Zahl erreicht.

1
Lettre: EVD Zentrale 1914-1918/29-3095/B. Paraphe: KW.
2
Cf. no 323.