dodis.ch/48029
Le Ministre de Suisse en Allemagne, H. Frölicher, au Chef de la Division des A ffaires étrangères du Département politique, W. Stucki,1

Ich beehre mich, Ihnen in der Beilage die Abschrift einer Mitteilung2 zukommen zu lassen, die heimlich beim Generalkonsulat in München/Rottach-Egern abgegeben wurde. Es handelt sich um einen Notschrei nichtdeutscher in das Reichsgebiet deportierter Juden, die unter kläglichen Verhältnissen in verschiedenen Aussenkommandos des Konzentrationslagers Dachau gefangen gehalten werden. Es ist Ihnen vielleicht möglich, auf Grund des dort zusammengetragenen Materials Familienangehörige und Bekannte dieser jüdischen Häftlinge zu benachrichtigen.

Ich habe, um nichts zu unterlassen, unverzüglich die hiesige Delegation vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz verständigt. Die Delegation hat seit wenigen Tagen einen Delegierten zur Leitung des Konzentrationslagers Dachau entsandt. Er konnte aber bis zur Stunde das eigentliche Konzentrationslager nicht betreten und auch mit den Häftlingen nicht in direkten Kontakt kommen. Immerhin wurde deutscherseits zugestanden, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz Gefangenenpakete mit Lebensmitteln an die Häftlinge verteilen darf. Die Verteilung hat bereits begonnen. Sie ist gegenwärtig wegen mangelhaftem Bezinnachschub unterbrochen, wird aber voraussichtlich in den nächsten Tagen wieder aufgenommen.

Durch die Anwesenheit eines Delegierten des Internationalen Roten Kreuzes an sich besteht die Hoffnung, dass diese Häftlinge beim Herannahen der Front nicht von ihren Wachen liquidiert werden.

Einen Durchschlag dieses Schreibens sowie seiner Beilage sende ich an die Abteilung für Schutzmachtangelegenheiten zur Kenntnisnahme und zu allfälliger weiterer Veranlassung.

1
Lettre: E 2001 (D) 3/175.
2
Non reproduite. Cf. aussi E 4260 (C) 1974/34/68.