Wie Sie wissen, hielt sich in den letzten Wochen der offiziöse Delegierte der provisorischen polnischen Regierung in Paris, Stefan Jedrychowski, in der Schweiz auf2. Der amtliche Zweck seiner Reise bestand hierbei darin, mit dem
Internationalen Komitee vom Roten Kreuz Fühlung zu nehmen, um die Möglichkeiten einer Hilfsaktion für die polnische Bevölkerung zu prüfen, sowie
über die Heimschaffung internierter Polen zu verhandeln. Indessen benützte
der Genannte die Gelegenheit, in der Schweiz auch einige Presseempfänge
durchzuführen, wobei er - in recht tendenziöser, mitunter nicht gerade taktvoller Weise - vor geladenen Journalisten über politische Fragen seines Landes
und über die Zukunft des schweizerisch-polnischen Verhältnisses sprach.
Wie gemischt auch die Gefühle sind, die diese mehr oder weniger propagandistische Aktivität des Herrn Jedrychowski hervorruft, so hat sie doch an sich
zu einem behördlichen Dazwischentreten greifbaren Anlass nicht gegeben.
Einigermassen verschieden davon verhält es sich nun aber, wie uns scheint,
mit einem ändern Vorkommnis, das in der Zwischenzeit hinzugetreten ist.
In der Tat hat es uns nicht wenig überrascht zu vernehmen, dass Radio Genf
am Nachmittag des 21. April über den Landessender Sottens ein Interview mit
Herrn Jedrychowski verbreitete.
Es sei uns mithin gestattet, Ihnen im folgenden die Gedankengänge darzulegen, die sich uns in diesem Zusammenhang aufdrängen.
Wenn wir richtig orientiert sind, ist das Mittel unseres Rundspruchs seit Beginn des gegenwärtigen Krieges für keinen Emissär einer kriegführenden Regierung, wer immer es auch sei, zugänglich gewesen3. Umso mehr muss es unseres Erachtens auffallen, dass man von dieser gesunden Auffassung - übrigens
der für einen neutralen Staat einzig denkbaren - zu Gunsten des Agenten einer
nicht anerkannten Regierung abgewichen ist.
Was die Erklärungen selber anbelangt, die Jedrychowski vor dem Mikrophon abgab, so soll deren Inhalt allerdings - soweit uns davon berichtet wurde
- zu besondern Bemerkungen keinen Anlass geben; Sie werden sich übrigens
den authentischen Text wohl unschwer beschaffen können. Indessen geht es
uns nicht so sehr um diese Seite der Frage, als vielmehr um den grundsätzlichen
Umstand, dass schon durch die blosse Zulassung einer derartigen Sendung ein, wie uns dünkt, nicht ungefährlicher Präzedenzfall geschaffen worden ist, der uns entsprechendenfalls recht weit zu führen vermöchte.
Darüber hinaus bietet aber die Angelegenheit noch einen anderen politischen Aspekt, dem, wie wir glauben, ebenfalls gebührende Beachtung geschenkt werden sollte. Dass man nämlich in Genf eine derartige Zuvorkommenheit gegenüber einem Abgesandten von Lublin gerade in einem Zeitpunkt an den Tag legte, in dem uns die Gebieter jener Kreise mit so viel Schmähungen überhäufen, kann den unseres Erachtens begangenen Fehler, wie wir die Lage beurteilen, nur vergrössern; denn wir können uns des Eindruckes nicht erwehren, dass ein solches Verhalten ganz einfach als Schwäche wird gewertet werden, und, weit davon entfernt, die Bahn zu einer Entspannung vorzubereiten, sich eher als Aufmunterung zur Anwendung von Druckmitteln auswirken wird.
Soweit unsere Bemerkungen zur Angelegenheit, die wir nicht ermangeln wollten, Ihnen zuständigkeitshalber für den Fall darzulegen, dass Sie es als angebracht erachten, die in Frage kommenden Rundspruchorgane auf die Tragweite und das Bedenkliche derartiger Sendungen aufmerksam zu machen. Wenn Sie im übrigen die grosse Freundlichkeit hätten, auch uns von Ihrer Ansicht im Gegenstände Kenntnis zu geben, so wäre uns dies äusserst wertvoll.