Als Resultat meiner Reise nach Frankfurt2 kann kurz zusammengefasst folgendes festgehalten werden3:
1. Ich glaube, dass einwandfrei nachgewiesen werden konnte, dass eine militärische Aktion gegen die Schweiz generalstäblich nicht vorbereitet wurde. Das Tagebuch des Generalstabschefs4, Generaloberst Halder, das bis September 1942 sich erstreckt, sowie die Sammlung der Führerbefehle5, die ich gesehen habe, dürften eindeutig beweisen, dass eine Operation gegen die Schweiz nicht bis zum Stadium der Ausarbeitung eines Aufmarschplanes gediehen ist6.
2. Anders liegt das Problem auf dem politischen Gebiete. Es ist sicher, dass die politische Führung das Problem Schweiz verschiedentlich in Betracht gezogen hat. Das Buch «Wahn und Wirklichkeit» von Legationsrat Dr. Kort7 erwähnt zwar bezüglich der Schweiz ausdrücklich, dass ernsthaft auch auf politischem Gebiet nichts gegen die Schweiz geplant worden sei. Dagegen soll in einem Buch «Gegen eine neue Dolchstosslegende», ein Erlebnisbericht vom 20. Juli 1944, von Wolfgang Müller auf S. 126 behauptet werden, dass Hitler einen Überfall auf die Schweiz geplant hat. Die dort geschilderten Einzelheiten entsprechen aber den Tatsachen sicher nicht, so dass eine weitere Überprüfung notwendig wäre.
Hiezu müssten die im Februar 1949 zur Veröffentlichung gelangenden 25 Bände «Dokumente aus den Archiven des Reichsaussenministeriums» studiert werden8. Ebenso wären die Akten des Nürnbergerprozesses9 genau zu überprüfen, und schliesslich wären allenfalls verschiedene Personen, die in Deutschland oder Österreich heute noch leben, zu befragen. Es handelt sich hierbei um den General der Gebirgstruppen, Valentin Feuerstein, der angeblich im Jahre 1944 eine Studie bezüglich eines Aufmarsches gegen die Schweiz ausarbeiten musste, sowie um Generalmajor Lahusen vom deutschen Nachrichtendienst, welch letzterer gegenwärtig im Tirol lebt.
Auch soll der gegenwärtige württembergische Polizeichef Müller über die Frage der Bedrohung der Schweiz Auskunft erteilen können.
Es würde sich hier um eine sehr heikle Arbeit handeln, die sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde und die nur von jemandem durchgeführt werden kann, der auf Grund einer genauen Kenntnis der Verhältnisse im Dritten Reich in der Lage ist, einigermassen den Wert der verschiedenen Aussagen zu beurteilen. Es darf nicht vergessen werden, dass heute eine grosse Tendenz besteht, sich als «Retter der Schweiz» nachträglich aufzuspielen, weil eine solche Haltung in ideeller und materieller Hinsicht wesentliche Vorteile bietet.
3. In der Historical Division in Frankfurt selbst sind keine diesbezüglichen Unterlagen mehr vorhanden. Dagegen dürfte es interessant sein, den Kontakt mit diesen Leuten aufrecht zu erhalten und zwar, wie mir scheint, aus folgenden Gründen:
a) Es wäre möglich, in regelmässigen Abständen für jeweils eine kurze
Periode nach Frankfurt zu gehen und dort kriegsgeschichtliche Studien
zu treiben. Eingehende Unterlagen finden sich dort insbesondere über
– Organisation des deutschen Oberkommandos,
– die Ardennenschlacht, wobei es sich in erster Linie um eine eingehende Darstellung von deutscher Seite handelt, die unter amerikanischer Leitung gemacht wurde,
– Fragen des Partisanenkrieges.
b) Durch regelmässige periodische Aufenthalte in Frankfurt liessen sich
mit verschiedenen Persönlichkeiten der Militärregierung sowie auch
deutschen Politikern und Wirtschaftsführern Beziehungen herstellen,
die nachrichtentechnisch möglicherweise von Wert sein können.