dodis.ch/50577Der stv. Direktor der Politischen Direktion des Politischen Departements, A. Hegner, an den schweizerischen Botschafter in Ottawa, F. Pictet1

Persönlich und vertraulich

Lieber François,

Mit einiger Verspätung antworte ich auf Deinen Brief vom 27. Januar2; die Gründe hiefür sind einerseits sachbedingt, nebenbei war ich aber auch zwei Wochen am Krankenlager der agonisierenden CSCE3.

Ich bin mit vollauf bewusst, dass die Verhandlungen über nukleare Zusammenarbeit mit Kanada4 wieder begonnen werden sollten und dass mit den Wochen die Glaubwürdigkeit unserer Aussage, das Embargo könnte uns mittelfristig in eine Notsituation bringen, an Gewicht verliert. Die Probleme sind, wie Du weisst was Bern betrifft, solche des politischen Willens aber in noch höherem Masse der Persönlichkeiten.

Bindschedler hat gegenüber den Kanadiern die Dir bekannte kompromisslose Haltung eingenommen. Er hat mit Nordamerikanern fast aller Schattierungen Mühe. Dabei kann er, richtig angesprochen, auch sehr verträglich sein. Das Problem ist, den Verwandlungsprozess herbeizuführen; ich habe die Angelegenheit in Belgrad mehrmals aber schliesslich ohne grossen Erfolg mit ihm besprochen.

Verhandeln könnte auch Zangger, der hingegen in der Atomagentur mit einem Kanadier5 um den Posten des stellvertretenden Generaldirektors konkurriert6 und als Negociator ebenfalls belastet wäre.

Ein Entscheid kann ohnedies erst nach der Rückkehr Bindschedlers herbeigeführt werden; übergangen kann und darf der Professor in dieser Angelegenheit nicht werden, da sonst die zukünftigen Beziehungen zwischen dem neuen Departementschef und dem Rechtsberater hypothekiert würden. Dies wäre wiederum wegen des noch stark von parlamentarischer Emotion geprägten Charakters Bundesrat Auberts nicht wünschenswert.

Ich habe in Belgrad Dellworth angedeutet, dass wegen verschiedenen verwaltungsinternen Gründen mit einer Verzögerung bei der Aufnahme unserer Verhandlungen gerechnet werden müsse; dies sollte jedoch in Ottawa unter keinen Umständen als Verstimmung der Eidgenössischen Behörden gedeutet werden. Kleine Verwaltungen verfügten verständlicherweise nicht über allzu viele Leute, die jeweils als Verhandlungsleiter für bestimmte Sachfragen bestimmt werden können. Ich wies auch auf den Wechsel an der Spitze des EPD hin und versicherte schliesslich, dass Herr Aubert nach einer gewissen Anlauffrist in dieser für uns wichtigen Frage sicher bald zu einem Entschluss gelangen würde.

Ich habe vor, die Angelegenheit bei Aubert erst aufzubringen, wenn Bindschedler zurück ist, aber dann so, dass er selbst bald Kontakt mit seinem Nicht-Nur-Parteifreund Ritschard aufnimmt.

Ich suche nach Möglichkeiten einer für alle Parteien akzeptablen Verhandlungsleitung. Nachdem meine Beziehungen mit Bindschedler in letzter Zeit gut sind, hoffe ich auf eine geringe Erfolgschance. Wahrscheinlich kann ich im Laufe dieses Monats wieder auf die Angelegenheit zurückkommen. Ich nehme an, dass das Verhandlungsmandat einen neuen Bundesratsbeschluss7 erfordert.

Freundschaftlicher Gruss Toni

1
Schreiben: CH-BAR#E2200.30-03#1992/248#111* (461.4).
2
Schreiben von F. Pictet an A. Hegner vom 27. Januar 1978, dodis.ch/53969.
3
Zur Schlussphase des Belgrader Treffens der KSZE vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 121, dodis.ch/49324.
4
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 101, dodis.ch/50991, Punkt 4.
5
J. Jennekens.
6
Vgl. dazu die Notiz von P. R. Jolles an P. Aubert vom 10. Februar 1978, dodis.ch/52823.
7
BR-Prot. Nr. 962 vom 12. Juni 1978, dodis.ch/51072, mit dem H. Zangger als Delegationschef nominiert wird. Vgl. ferner das Schreiben von P. Aubert an F. Pictet vom 3. Mai 1978, dodis.ch/51071.