Bericht über die offiziellen Gespräche, präsidiert auf Schweizer Seite durch Herrn Adolf Ogi, Vize-Präsident des Bundesrates (BRO),3 unter hauptsächlicher Beteiligung von Herrn Bundesrat Kaspar Villiger sowie des Direktors der DEH4 und des schweizerischen Botschafters in Lagos.5
Es handelt sich um den ersten offiziellen Arbeitsbesuch eines Staatschefs des westafrikanischen Landes in der Schweiz. Zur Delegation Benins zählten namentlich Théodore Holo, Ministre des Affaires Étrangères et de la Coopération, sowie Mama Adamou N’Diaye; Ministre du Développement Rural.6
Die in freundschaftlicher Atmosphäre verlaufenen Gespräche bezogen sich, entsprechend der Tagesordnung, hauptsächlich auf die politische und wirtschaftliche Situation in Benin und der Region, auf den Demokratisierungsprozess in Afrika sowie auf die Entwicklungszusammenarbeit.
BRO [Bundesrat Ogi] weist zu Beginn auf die guten bilateralen Beziehungen und die Schwerpunkte der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit hin (Strukturanpassung, Weltbankprogramm für Klein- und Mittelbetriebe, Gesundheit und Erziehung).7 Er dankt für den guten Empfang, der dem Direktor der DEH und unserem Botschafter in Lagos bereitet wurde.8 S[oglo] bedauert die Abwesenheit von Bundespräsident R. Felber und wünscht ihm gute Besserung.9 Er sei selbst krank gewesen. Wichtig sei das Vertrauen in Gott; die beste Medizin sei, von Leuten mit Zuneigung und Freundschaft umgeben zu sein. BRO [Bundesrat Ogi] verspricht die Wünsche auszurichten.
Gemäss S[oglo] berichten die Massenmedien oft nur über das was schlecht gehe. Es sei Aufgabe der Regierung, potentielle Investoren zu informieren. Es gehe darum, dass sich das Land an die Arbeit mache. Unter dem Kommunismus stamme das Geld wie ein Deus ex machina vom Staat. Hinter diesem stehe aber der Steuerzahler, dessen Mittel ertragreich einzusetzen sind. S[oglo] zeigt sich interessiert an der Funktionsweise des Milizsystems der Schweizer Armee, der Wirtschaft und der Demokratie.
Benin hat während siebzehn, sehr harten Jahren unter einem sozialistischen Einparteienstaat gelitten. Es diente Ostblockländern (via Tripolis) als Zwischenbasis für Interventionen in Ländern wie Somalia und Angola. Die demokratische Öffnung des Landes begann mit der Nationalkonferenz im Februar 1990, an welcher alle religiösen Kräfte (Katholiken, Protestanten, Muslime), sämtliche 50 Parteien sowie die Gewerkschaften vertreten gewesen seien. Man habe damals einen Bürgerkrieg befürchtet. Die Konferenz habe zu einer neuen Verfassung mit Gewaltentrennung, Religions-, Meinungs- und Wirtschaftsfreiheit sowie zu Lokal-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geführt (S[oglo]: «Tous les comploteurs sont ici dans cette salle»).10
Die Regierung bemüht sich um politische Stabilität und eine für das Gedeihen der Demokratie unerlässliche wirtschaftliche Entwicklung. S[oglo] sieht als Herausforderungen hauptsächlich:
– Erzielung einer stabilen und kohärenten parlamentarischen Mehrheit (im 64-köpfigen Parlament unterstützten nun 33 Deputierte die Regierungspolitik)
– Gewerkschaften, die als Sozialpartner einer modernen Wirtschaftspolitik fungieren; dazu sind technische Berater notwendig, man müsse lernen, dass Unternehmen unter Umständen Mitarbeiter zu entlassen haben um zu überleben
– Heranbildung von Massenmedien, die korrekter Information verpflichtet sind; die Journalisten müssen lernen zu recherchieren, statt wie in der Vergangenheit Mitteilungen des Informationsministeriums weiterzugeben, die Finanzierung über die Werbung fehlt noch weitgehend, die Presse wird somit auch anfällig gegenüber der Einflussnahme anderer Länder der Region
– Reform der Armee, auf welcher das alte System beruhte; Konzentration auf Landesverteidigung, daneben Berufsausbildung, Landgendarmerie und Geniedienste unter deutscher und französischer Hilfe (Tips von S[oglo]’s Freund Pierre Joxe)
Bezüglich dieser vier Punkte weist BRO [Bundesrat Ogi] auf Diskussionen über eine eventuelle Regierungsreform in der Schweiz11 (Zauberformel) und auf die Bedeutung der Verständigung der Sozialpartner hin. Die Pressefreiheit ist fundamental. Wir machen gute Erfahrungen mit der Einführung der Lokalradios. Dabei dürfe jedoch die Mehrheit der Bevölkerung nie vernachlässigt werden. Es sei sicherzustellen, dass dem ganzen Land korrekte Basisinformation zugänglich bleibt. Dies treffe auch für die Telekommunikation zu. Diese habe zugleich modern zu sein wie auch unserem System und der europäischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Wir stehen zur Armee, die eine Art Lebensversicherung darstellt. Über die geplante Anschaffung des F/A-18-Kampfflugzeugs werde in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert.12
Nachdem sich gemäss S[oglo] die Wirtschaft Benins noch vor zwei Jahren am Rande des Chaos bewegt habe, seien inzwischen Fortschritte gemacht worden:
– Wirtschaftswachstum 1991: 3%, nach vier vorangegangenen Jahren negativen Wachstums
– erhöhte Steuereinnahmen (1990: 2 Mrd. F CFA, 1991: 3,5 Mrd. F CFA, 1992: voraussichtlich 5,2 Mrd. F CFA) dank Steuerreform (u. a. Einführung Mehrwertsteuer)
– Überwachung der Importe durch die Genfer Firma Cotecna
– Steigerung der Baumwollproduktion (1991: 180 000 t)
– Privatisierung von ⅔ der 60 Staatsbetriebe, z. T. unter ausländischer Beteiligung (Stahl, Textil, Tabak, Zement, Getränke), Personalabbau, Schliessung unrentabler Betriebe
– Reduzierung der öffentlichen Verwaltung, die ein Defizit von 2 Mrd. F CFA verursachte
Entscheidend sei eine Wiederankurbelung der Investitionen.
Nach dem Ende des kalten Krieges hält S[oglo], der erste frei gewählte Staatschef auf dem afrikanischen Festland, die Demokratisierung auf seinem Kontinent für tiefgreifend und irreversibel. Die Leute organisierten sich überall, und man müsse diesen Vertrauen durch Arbeit geben. S[oglo] rate anderen Staatsoberhäuptern (z. B. in Togo14) eine demokratische Lösung anzustreben – wer heute mit Steinen werfe, werde morgen mit Kalaschnikovs auf die Hauptstadt marschieren, wie dies im Tschad geschehen sei.15 Um indessen liberianische Verhältnisse zu vermeiden, sei den Diktatoren ein gefahrloser Abgang zu ermöglichen.16
Jedes Land habe einen eigenen Weg für eine politische Öffnung zu finden. Damit sie gelinge, müsse diese – gemäss UNO-Generalsekretär17 – durch die «grossen Demokratien» begleitet werden. Dies könne, wie im Falle des Vorgehens gegen die Apartheid, durch pragmatische Lösungen und internationalen Druck erzielt werden. Es müsse eine kritische Masse demokratischer Länder erreicht werden um «eine gemeinsame Welt» zu errichten. Europa und Afrika hätten alte Beziehungen, die zwar nicht immer einfach waren (Sklavenhandel). Doch seien die beiden aufeinander angewiesen. Die Vereinigten Staaten wandten sich Lateinamerika zu, während sich Asien, schon wegen seiner Bevölkerungszahl, auf sich selbst beschränken könne.
Neben dem Bedürfnis nach Demokratisierung bestehe in Afrika auch ein solches nach Umgruppierungen. Benin wolle seine regionale Brückenfunktion durch verbesserte Infrastrukturen und intensivierten Wirtschaftsaustausch ausbauen. In Zukunft soll Reis, Mais und Maniok in die Sahelländer ausgeführt und von dort Vieh bezogen werden.
Besonderen Dank stattet S[oglo] der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz ab. Diese sei Benin nicht nur in schwieriger Zeit beigestanden («On connaît ses amis quand ça va mal»), sondern weise nun, nebst skandinavischen und niederländischen Stimmen, als eines der wenigen Länder auf gewisse negative soziale Auswirkungen von Programmen der Bretton Woods Institutionen hin.19 Bezüglich der Prioritäten dieser Zusammenarbeit besteht Übereinstimmung:
– Erziehung; Ausbau des Volksschulnetzes, insbesondere der Primarschule unter Einbezug der Frauen
– Verbesserung des Gesundheitswesens
– Förderung der ländlichen Entwicklung; 80% der Bevölkerung lebt auf dem Lande, sie müsse lernen ihre Angelegenheiten selbst zu erledigen, bereits jetzt erbringen Bauern einen überproportionalen Anteil des BSP. S[oglo]: «Si le paysan est riche, le pays est riche»
– Verbesserung der Infrastrukturen; Brunnen auf dem Lande, Trinkwasserversorgung, Strassen, Energieversorgung (Staudämme, Pipelines für Erdgas aus Nigeria)
DEH-Direktor Fritz Staehelin sichert die Fortführung der Entwicklungszusammenarbeit im bisherigen Rahmen zu.20 Im Zusammenhang mit der Förderung des Demokratisierungsprozesses soll der Kontakt mit zivilen Partnern intensiviert werden.
Angesprochen auf die Wahrung der Menschenrechte in Benin, erklärt S[oglo], dass diese garantiert seien. Die Gesellschaft sei frei, jedermann geniesse Gedanken- und Versammlungsfreiheit. Die «Société civile» widerspiegle sich auch in Presse und im Parlament. Die politischen Gefangenen seien unverzüglich entlassen worden, indessen erhöben sie Entschädigungsansprüche. Auch versuchten Mitglieder der kommunistischen Partei Bauern vom Arbeiten und Steuerzahlen abzuhalten. Dabei komme es zu Auseinandersetzungen mit Gendarmen.
Schliesslich versprechen S[oglo] und Théodore Holo, Ministre des Affaires Étrangères et de la Coopération, sich für Genf als Sitz von Nachfolgeorganisationen der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (CNUED), die in Rio tagte, zu verwenden.22
In einem anschliessenden, separaten Gespräch mit S[oglo] lädt Nationalratspräsident Hans-Rudolf Nebiker Deputierte Benins ein, sich in der Schweiz über die Funktionsweise unseres politischen Systems zu informieren (vgl. beiliegender Bericht der Parlamentsdienste).23