dodis.ch/60739Gespräche des Vorstehers des EVED, Bundesrat Ogi, mit dem japanischen Premierminister Miyazawa, sowie den Ministern für Verkehr, Okuda, sowie Post und Telekommunikation, Watanabe1

Besuch in Tokyo vom 10.–15. Oktober 1992

Vertraulich/Nicht an die Presse

1. Politische Gespräche

Auf Einladung der japanischen Regierung weilte eine schweizerische Delegation unter der Leitung des Vorstehers des EVED vom 10.–15. Oktober in Tokyo. Neben einem Höflichkeitsbesuch bei Kronprinz Hiro standen Gespräche mit Premierminister Kiichi Miyazawa, Verkehrsminister Keiwa Okuda sowie PTT- und Kommunikationsminister Hideo Watanabe auf dem Programm.

Mit Regierungschef Kiichi Miyazawa erfolgte ein ausführlicher Meinungsaustausch über die europäische Integration.2 Die japanischen Gesprächspartner zeigten sich an der schweizerischen Neutralität sehr interessiert. Man erinnerte sich sogar daran, dass die Schweiz 1945 zu den drei europäischen Staaten gehörte, welche Japan nicht den Krieg erklärt hatten (so Wataru Hiraïzumi, Member of Parliament, in seiner offiziellen Tischrede).

Für Japan scheint es wichtig, dass die Schweiz auch nach einem allfälligen Beitritt zum EWR am Prinzip der Universalität festhalten will und ihre Beziehungen, nicht zuletzt auf wirtschaftlichem und technologischem Gebiet, weltweit auszubauen und zu intensivieren trachtet.3 Dabei kommt der Technologie- und Wirtschaftsmacht Japan besondere Bedeutung zu.4

In den Gesprächen mit Verkehrsminister Keiwa Okuda sowie PTT- und Kommunikationsminister Hideo Watanabe standen die japanischen Erfahrungen betr. Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung im Vordergrund. Fragen, die im Zuge der wirtschaftlichen Revitalisierung auch in der Schweiz zur Diskussion stehen.

Im Energiebereich standen Gespräche mit dem Generaldirektor Naoki Kuroda und Vizeminister Kenichi Murakami (Science and Technology Agency) im Mittelpunkt. Zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs setzt Japan auf ein ehrgeiziges Kernkraftwerk-Bauprogramm – 20 zusätzliche KKW bis 2010 –, ohne Sparmöglichkeiten zu vernachlässigen. Wichtigstes Ziel ist der Abbau der nach wie vor hohen Erdölabhängigkeit.5

2. Verkehr

Japan bietet besten Anschauungsunterricht zu Problemen, die auch die Schweiz beschäftigen. Genannt seien:

2.1 Die Hochgeschwindigkeitszüge (Shinkansen)

Die erste Strecke wurde bereits 1964 dem Betrieb übergeben. Die Verbindungen werden seither ausgebaut, und die Qualität wird systematisch verbessert. Heute beträgt z. B. die durchschnittliche Abweichung vom Fahrplan gerade noch 10 Sekunden.

2.2 Der Tunnelbau

Im Reich der aufgehenden Sonne ist zur Zeit der längste Bahntunnel der Welt in Betrieb.6 Nach dem positiven Ausgang der NEAT-Abstimmung vom 27. September7 ist in der Schweiz der Weg frei zum Bau eines noch längeren Tunnels. Es gilt das in Japan vorhandene Know-how bezüglich Hochgeschwindigkeitszüge und Tunnelbau zu nutzen, japanische High-Tech in Planung und Engineering soweit nützlich zu transferieren. Um die diesbezüglichen Möglichkeiten im einzelnen abzuklären, weilt zur Zeit noch eine Verkehrsdelegation aus Vertretern des BAV, der SBB und des VöV in Japan.8

2.3 Der Agglomerationsverkehr

In keinem anderen Land hat der Agglomerationsverkehr ein derart grosses Gewicht. In der Agglomeration Tokyo müssen täglich bis zu 30 Mio. Menschen transportiert werden.

Gespräche mit dem Generaldirektor Yoichi Nagumitsu der Teito Rapid Transit Authority (TRTA) zeigten Probleme und Lösungsansätze. Hauptverkehrsträger im Agglomerationsverkehr Tokyo ist heute die U-Bahn. Es stehen rund 230 km in Betrieb. Das U-Bahnnetz ist im Norden und Osten der Stadt stark überlastet und vermag die wachsende Nachfrage nicht mehr zu befriedigen.

Zur Zeit können aber aus finanziellen Gründen kaum mehr Neubaustrecken gebaut werden, dies trotz Beteiligungen der Stadt und der Regierung.

Die TRTA sucht Erwerbsmöglichkeiten ausserhalb des U-Bahnbetriebes (Immobilien, Bewirtschaftung der Liegenschaften usw.), um die Investitionen im Bahnbereich zu bewältigen. Überdies soll die öffentliche Hand langfristige zinsgünstige Darlehen gewähren, die erst nach dem fünften Betriebsjahr zu amortisieren sind.

2.4 Privatisierung

Sowohl im Gespräch mit Verkehrsminister Keiwa Okuda als auch im Rahmen der Kontakte mit den Repräsentanten der Japan Railway (JR) unter Leitung von Präsident Shijo Sumita wurden die mit der Privatisierung gemachten Erfahrungen eingehend erörtert.

1949 wurde die Japanese National Railway (JNR) gegründet, mit 490 000 Beschäftigten und 20 000 km Schienennetz. Das Geschäft lief gut. 1960 bewältigte die Bahn 51% des Personen und 39% des Güterverkehrs. Mit dem Bau der Nationalstrassen änderte sich die Lage. 1980 betrug der Bahnanteil im Personenverkehr noch 25% und 8% im Güterverkehr. JNR zeigt sich nicht in der Lage, darauf effizient zu reagieren.

1982 wurde grundsätzlich die Aufteilung von JNR in 7 Gesellschaften und deren Privatisierung beschlossen. Der Passagiersektor wurde aufgeteilt in 6 regionale Unternehmen: East Japan, Central Japan und West Japan auf das Hauptland sowie drei weitere Gesellschaften auf den Inseln Hokkaido, Shikoku und Kyhusu. Der Güterverkehr wird landesweit von einem weiteren Unternehmen bewältigt.

Die Regierung musste Schulden der JNR von rund 200 Mrd US $ übernehmen. Diese sind formell einer Gesellschaft übertragen worden; sie sollen langfristig von den 7 privaten Gesellschaften abgetragen werden, was wohl Wunsch bleiben dürfte.

Immerhin, unter den neuen Bedingungen konnte der Personalbestand seit der Privatisierung – sie trat 1987 in Kraft – von rund 300 000 Personen auf 200 000 reduziert werden. Und nach der Entschuldung schreiben die drei Personengesellschaften auf dem Hauptland schwarze Zahlen.

Fazit: Die Privatisierung brachte gewisse Fortschritte, dies aber zum Preis einer sehr einschneidenden Entschuldungsaktion und einer harten Personalpolitik sowie eines markanten Leistungsabbaus insbes. im Güterverkehr. Die in Japan gemachten Erfahrungen lassen sich nicht unbesehen auf die Schweiz übertragen.9

3. Telekommunikation

Im Bereich der Telekommunikation wurden zwei Ziele verfolgt. Erstens wollte sich die Delegation über die Erfahrung Japans mit der Deregulierung und Privatisierung im Fernmeldewesen informieren. Zweitens galt es, den Zugang unserer Telecom-Industrie zu den Märkten zu verbessern. Letzteres um u. a. High-Tech-Bestandteile günstiger einkaufen zu können.

3.1 Das Gespräch des Unterzeichnenden mit dem Kommunikations- und Postminister Hideo Watanabe war ein wertvoller Gedankenaustausch über die Deregulierung und Privatisierung. Japan hat seit 1985 sowohl den Endgerätemarkt wie auch die Netze dereguliert. Einzig die Post ist noch im Monopol des Staates. In diesem Gespräch kamen auch die Grenzen einer Deregulierung zum Ausdruck. So ist die NTT, die ehemalige PTT Japans immer noch zu ⅔ im Besitz des Staates. Ebenso betreibt sie immer noch – trotz Konkurrenz – 90% der Telekommunikationsnetze Japans.

3.2 Im Gespräch mit dem Ministerkollegen wurde auch eine engere Zusammenarbeit zwischen Japan und der Schweiz auf dem Fernmeldesektor beschlossen. Dies wurde im folgenden auf Beamtenebene in Fachgesprächen konkretisiert und mit einem gemeinsamen Protokoll festgeschreiben (siehe Beilage).10 Damit soll der gegenseitige Zugang zu wissenschaftlichen Projekten, zu technologischen Entwicklungen sowie zum Markt verbessert werden. Es liegt nun am BAKOM, diese Absichten mit der Schweizer Telecom-Wirtschaft und mit der PTT umzusetzen.

Des weiteren wurde im Gespräch mit dem Ministerkollegen ein Abkommen der japanischen und der schweizerischen Postdienste bestätigt, mit dem der Expressdienst zwischen den beiden Ländern im Rahmen des EMS verbessert werden soll.11

Besuche bei der NTT (Nippon Telephone Telegraphe) und bei der NHK (japan. Radio- und TV-Gesellschaft – analog SRG) konnten die Einblicke in das Kommunikationssystem Japans vertiefen.

4. Énergie

La structure administrative du secteur de l’énergie dans l’administration japonaise est compliquée.

L’Agence de la Science et de la Technologie (STA) qui dépend du cabinet du premier ministre par l’intermédiaire d’un ministre d’État a la responsabilité générale pour l’Énergie nucléaire.

L’Agence pour les Ressources naturelles et l’énergie est le secteur du MITI (ministère de l’industrie et du commerce international) qui s’occupe du pétrole, du charbon, des énergies renouvelables et de l’utilisation rationnelle de l’énergie. Elle comprend aussi un département qui contrôle les centrales électriques nucléaires et thermiques.

Nous avons rencontré M. Naoki Kuroda, directeur-général de l’Agence pour l’Énergie du MITI et M. Kenichi Murakami, sous-ministre responsable de la STA.

En marge de ces rencontres, M. Baer a également eu une entrevue avec le vice-président de la commission pour l’énergie atomique, M. Akira Oyama.12

Toutes les discussions ont eu lieu dans un climat d’ouverture et de confiance mutuelle. On notera en particulier les points suivants:

– Le Japon qui produit aujourd’hui 9% de son énergie avec des centrales nucléaires (Suisse 8,3%) veut arriver à 17% en 2010. Ceci implique la construction de 20 nouvelles centrales en plus de 40 qui sont en activité. Sur ces 20, 11 sont déjà en construction.

Il est possible cependant que la progression soit plus lente que prévue à cause d’une résistance croissante de la population au nucléaire. Le gouvernement japonais ne voit cependant pas d’autre solution pour couvrir une demande d’énergie qui augmente de 5,3% par année.

– D’ici l’an 2000, cette croissance devrait être ramenée à 1% par an, mais nous n’avons pas reçu d’explications claires sur la manière d’y parvenir.

– La production totale d’électricité hydraulique, géothermique et renouvelable représente 15% du total (dont 12% hydraulique) et devrait augmenter à 27% d’ici 2010.

– La STA collabore avec la CEDRA pour le stockage des déchets radioactifs. Elle est très satisfaite de ces contacts.

–Pour l’aide à l’Europe de l’Est, dans le domaine nucléaire, le Japon fait de gros efforts – 25 millions de dollars US dépensés en un an pour la sûreté de ces centrales, en plus de 20 millions de dollars promis pour le centre de recherche prévu à Moscou.13

– Dans ce domaine, la collaboration bilatérale lui paraît beaucoup plus importante que les accords multilatéraux.

– Le Japon s’engagera en 1995 pour la prolongation du traité de non-prolifération nucléaire (TNP) pour une durée la plus longue possible. Il ne peut pas dire pour l’instant si ceci représente une durée indéfinie ou pas.

– Le Japon voudrait renforcer le TNP si c’est possible, et il est conscient de son importance absolument fondamentale.

– Nous avons exprimé la crainte que même si la Chine a signé le TNP, ses intentions ne soient pas très claires en ce qui concerne la non-prolifération. Le Japon a un accord nucléaire avec la Chine depuis 6 ans et aimerait renforcer cette collaboration dans le cadre de l’AIEA. Il pense que la Chine s’efforcera d’appliquer les règles du TNP.14

Dans leurs discussions, M. Oyama et M. Baer ont discuté d’aspects techniques des futurs réacteurs japonais. Le Japon développe un réacteur surgénérateur dont il envisage l’entrée en service commercial d’ici une trentaine d’années.

– Dans l’ensemble, une fois que les grandes directions politiques ont été données par le Parlement, les technocrates des organes spécialisés (STA, MITI) ont une grande liberté d’action.

– Dans toutes ces discussions, nos interlocuteurs japonais ont montré un grand intérêt pour la manière dont la Suisse cherche à résoudre ses problèmes énergétiques. Nous avons promis de leur envoyer plus de détails sur le programme Energie 2000.15

1
CH-BAR#E1010C#1996/219#471* (354). Diese Informationsnotiz an den Bundesrat wurde vom Vorsteher des EVED, Bundesrat Adolf Ogi, unterzeichnet und wahrscheinlich von seinem persönlichen Mitarbeiter, Stefan Aeschimann, redigiert. Gemäss Visum von Vizekanzlerin Hanna Muralt Müller hat der Rat davon Kenntnis genommen, vgl. das Faksimile dodis.ch/60739. Dies geschah gemäss dem entsprechenden Verhandlungsprotokoll der 32. Sitzung des Bundesrats vom 21. Oktober 1992 ohne weitere Diskussion, vgl. CH-BAR#E1003#2003/92#3* (4.32). Auf seiner Reise wurde Bundesrat Ogi u. a. von Stefan Aeschimann, vom Generalsekretär des EVED, Fritz Mühlemann, vom Direktor des Bundesamts für Kommunikation des EVED, Marc Furrer, vom Direktor des Bundesamts für Verkehr des EVED, Fritz Bürki, vom stv. Direktor des Bundesamts für Energiewirtschaft des EVED, Alec Jean Baer, von Claude Clément vom Presse- und Informationsdienst des EVED, von Claude Roux, Mitglied der Generaldirektion der SBB, vom Delegierten Bahn 2000 der SBB, Pierre Alain Urech, vom Delegierten Alptransit der SBB, Peter Zuber, und vom Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr, Carlo Pfund, begleitet. Von der schweizerischen Botschaft in Tokio waren Botschafter Roger Bär, Minister Maurice Hartenbach, Vizekonsul Alexander Karrer und weitere Mitarbeitende beteiligt. Die Gespräche wurden schweizerischerseits in unterschiedlich zusammengesetzten Delegationen geführt, vgl. dazu die Programme und Delegationslisten im Dossier CH-BAR#E8001D#1997/5#2909* (320.4).
2
Vgl. dazu die Aufzeichnung des japanischen Aussenministeriums zum Gespräch vom 13. Oktober 1992, dodis.ch/62225.
3
Der Hinweis auf die Universalität der schweizerischen Aussenpolitik und der Grundsatz, dass die Schweiz ihre Beziehungen nicht auf ihre europäischen Partnerländer beschränkt, findet sich in zahlreichen Dokumenten über die bilateralen Besuche der Schweiz, vgl. hierzu die Zusammenstellung dodis.ch/C2390.
4
Zum Stand der schweizerisch-japanischen Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen vgl. DDS 1990, Dok. 27, dodis.ch/54862; das Fernschreiben Nr. 18 des Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge, Botschafter Pierre-Louis Girard, vom 7. Oktober 1991, dodis.ch/58991, sowie die Notiz des Diensts für pazifische Industrieländer des Bundesamts für Aussenwirtschaft vom 14. Juli 1992, dodis.ch/60036.
5
Für vorbereitende Unterlagen zu den verschiedenen Gesprächen inkl. Besuchsprogrammen, Gesprächsteilnehmenden und Listen mit Gesprächsthemen vgl. die Dossiers CH-BAR#E8001D#1997/5#2909* (320.4) und CH-BAR#E2200.136-04#1999/245#298* (681.1).
6
Gemeint ist der 1988 in Betrieb genommene Seikan-Tunnel, welcher die Inseln Honshū und Hokkaidō miteinander verbindet.
7
Der Bundesbeschluss über den Bau der schweizerischen Eisenbahn-Alpentransversale wurde am 27. September 1992 in einer Volksabstimmung mit einem Ja-Anteil von 63,61% angenommen, vgl. BBl, 1992, IV, S. 443. Vgl. ferner die thematische Zusammenstellung Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), dodis.ch/T1722.
8
Zur Zusammensetzung dieser Delegation vgl. Anm. 1.
9
Vgl. dazu den Bericht Die öffentliche Personenverkehrsbedienung Japans mit besonderer Berücksichtigung der Privatisierung von Direktor Pfund und dem Delegierten Bahn 2000 Urech vom 5. Januar 1993, CH-BAR#E2200.136-04#1999/245#302* (681.1).
10
Für die Beilage vgl. das Faksimile dodis.ch/60739.
11
Vgl. dazu dodis.ch/63378.
12
Pour les documents préparatoires en vue des entretiens du Directeur suppléant de l’Office fédéral de l’économie énergétique Baer, cf. le dossier CH-BAR#E2200.136-04#1999/245#302* (681.1).
13
Sur la sécurité des centrales nucléaires en Europe de l’Est, cf. la compilation dodis.ch/C2264.
14
Sur la question de la non-prolifération nucléaire chinoise, cf. dodis.ch/62928. Sur le traité de non-prolifération nucléaire en général, cf. la compilation thématique dodis.ch/T2197.
15
Sur le programme Énergie 2000, cf. le PVCF No 400 du 27 février 1991, dodis.ch/57732.