dodis.ch/64782
Gespräch des Vorstehers des EVD, Bundesrat Delamuraz, mit dem Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten Manser1

Tropenholz-Importverbot: Unterredung BR Delamuraz mit Bruno Manser

Hintergrund

1. Seit dem 1. März 1993 fasten der Basler Umweltschützer und Ethnologe Bruno Manser und eine Reihe von Gesinnungsfreunden (ÄrztInnen für den Umweltschutz, Greenpeace etc.) vor dem Bundeshaus, um dadurch ein sofortiges Importverbot für tropische Hölzer aus Sarawak/Malaysia zu erreichen, wo die Ureinwohner gegen die fortschreitende Abholzung und um die Erhaltung ihrer traditionellen Lebensform kämpfen.

2. Nachdem bereits im Dezember 1992 eine Doppelmotion Wick (NR) und Simmen (SR)2 sowie eine Petition derselben Kreise um Manser eingereicht worden waren,3 schart sich erneut eine Anzahl Parlamentarier (verstärkt durch Bundesrätin Ruth Dreifuss) um die Hungerstreikenden.4 Zahlreiche Briefe treffen im Bundeshaus ein, aus welchen eine grosse Anteilnahme der Bevölkerung hervorgeht.5

3. In der Fragestunde vom 15.3. hatte BR Delamuraz zur Lage im Namen des Bundesrates Stellung genommen (5 Anfragen im NR)6 und gleichzeitig Herrn Manser zu einem Gespräch eingeladen. Diese Unterredung fand gestern im Bundeshaus Ost statt. Teilnehmer waren die Herren Manser und Vosseler als Vertreter der Streikenden und die Nationalräte Eymann (L), Weder (U) und Wick (C), alle von Basel-Stadt. Staatssekretär F. Blankart und der Unterzeichnete nahmen ebenfalls an der Diskussion teil.

Voten

BRD [Conseiller fédéral Delamuraz]: Je vous exprime mon plus grand respect pour votre engagement, au risque de votre sécurité personelle. Notre objectif est identique. Il faut contribuer par tous les moyens possibles à résoudre ce problème caractérisé par une inégalité intolérable, formidable et qui s’accroît. Ma position n’est pas un choix d’homme politique mais ce souci de recherche d’une solution vient du fonds de mon cœur. C’est au sujet des moyens que nos opinions divergent. L’expérience autrichienne a montré les limites d’une action isolée.7

Manser: Notre demande a été exprimée il y a longtemps déjà. La déforestation est la seule raison de la destruction de la vie des Penan. Simmen et Wick ont demandé une déclaration obligatoire, pas forcément une interdiction des importations. Nous continuons notre jeûne afin d’obtenir un signe d’action concrète.

Vosseler: Ich bin Arzt. Wenn ich eine offene Arterie sehe, kümmere ich mich erst nachher um den Fusspilz.

Eymann: Die Basler Schreiner haben bereits auf Tropenholz verzichtet. Wir wollen weitere Verzichtserklärungen, dann werden wir die Streikenden um den Abbruch ihrer Aktion bitten.

Blankart: Ohne Holz kein Wald. Aber der Handel muss auf «grünes» Holz beschränkt werden.

Häberli: «Ziel 2000» der Internationalen Tropenholzorganisation ist ein Anfang.8 Strukturreform geht nicht über Nacht für ein Produkt mit einem Handelswert von $8 mia (zum Vergleich: Kaffee = 6–7 mia!). Brüsseler Label-Seminar als europäische Antwort.9 Unsere Schweizermarktstudie hat Existenz eines Quasi-Boykotts gezeigt.10 Jetzt staatliche, unilaterale Massnahmen zu ergreifen würde dem Dialog und den Anfängen der Strukturreform ein Ende bereiten.

BRD: Il est difficile de trouver des produits de remplacement exportables (agricoles surtout!). Il faut éviter des actions irréfléchies. Mais il faut terminer ce comportement irresponsable même là où il est dû à la pauvreté des gens. Cherchons la formule idéale!

Blankart: Der Erfolg des Havelaar-Labels in der Schweiz stimmt mich optimistisch.11 Ihre Aktion unterstützt uns auch auf der Aussenfront.

Schlussfolgerung

BRD [Bundesrat Delamuraz] bittet, das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten. Il y a un débat de conscience en moi-même. Votre action a créé un accroissement de la sensibilisation en Suisse.

Je proposerai dans un rapport au Conseil fédéral une série de mesures qui prolongent les initiatives parlementaires. Les mesures seront prises d’entente avec l’industrie et les consommateurs. Ce rapport comprendra également une stratégie claire avec un calendrier. Il ne convient pas de simplement avoir des conversations agréables.12 Nous ne passerons pas à l’ordre du jour.

Manser rappelle notre responsabilité devant les violations des droits de la personne. Les Penans devront sentir les effets de notre actions.

1
CH-BAR#E7115A#2002/69#2276* (740.7). Diese Gesprächsnotiz wurde vom Chef der Sektion Handel, Rohstoffe, Industrialisierung des Bundesamts für Aussenwirtschaft (BAWI) des EVD, Christian Häberli, verfasst und unterzeichnet. Kopien der Notiz gingen an die Politische Abteilung II, die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sowie die Direktion für Völkerrecht des EDA, an das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft des EDI, an das Generalsekretariat des EVD und an den Direktor des BAWI, Staatssekretär Franz Blankart, sowie zahlreiche weitere Personen im BAWI. Der Gesprächsnotiz beigelegt war eine Informationsnotiz des EVD an den Bundesrat vom 19. März 1993, dodis.ch/64783. Der Vorsteher des EVD, Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz, informierte den Bundesrat in der Sitzung vom 24. März 1993 über den Besuch von Bruno Manser, vgl. das Verhandlungsprotokoll der 10. Sitzung des BundesratsCH-BAR#E1003-01#2006/306#1* (322.3).
2
Die Motionen 92.3521 und 92.3523 Deklarationspflicht für Importhölzer wurden am 16. Dezember 1992 gleichzeitig von Nationalrat Hugo Wick und von Ständerätin Rosmarie Simmen eingereicht. Für den Wortlaut der Motion Wick und die schriftliche Antwort des Bundesrats auf beide Motionen vgl. das BR-Prot. Nr. 354 vom 17. Februar 1993, dodis.ch/66621. Für den Wortlaut der Motion Simmen vgl. das BR-Prot. Nr. 356 vom 17. Februar 1993, CH-BAR#E1004.1#1000/9#1028* (4.10prov.). Der Bundesrat beantragte am 17. Februar 1993 die Motionen in Postulate umzuwandeln. Die Motionen wurden am 28. April 1993 zurückgezogen.
3
Zur Übergabe der Petition und dem Besuch von Bruno Manser bei Staatssekretär Blankart am 6. November 1992 vgl. dodis.ch/61374, sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C2423.
4
Bruno Manser und weitere Aktivisten und Aktivistinnen forderten mit einem 60-tägigen Hungerstreik im Frühjahr 1993 einen Importstop für Tropenhölzer. Die gewählte Bundesrätin Ruth Dreifuss besuchte am 16. März 1993 die Streikenden auf dem Bundesplatz und half mit, Pullover für die Bundesräte zu stricken.
5
Vgl. dazu die Dossiers CH-BAR#E7115A#2002/69#2277* und CH-BAR#E7115A#2002/69#2278* (740.7).
6
Es handelte sich um die Frage 93.5054 Deklarationspflicht für Importhölzer von Nationalrätin Menga Danuser; die Frage 93.5056 Stopp der Tropenholzeinfuhr von Nationalrätin Ruth Gonseth; die Frage 93.5061 Holzimporte aus Malaysia von Nationalrat Hanspeter Thür; die Frage 93.5066 Menschenrechtsverletzung in Sarawak. Importstopp für Holz von Nationalrat Hugo Wick und die Frage 93.5059 Schweizer Waffen gegen Urbevölkerung von Nationalrat Hansjürg Weder. Für die Antworten von Bundesrat Delamuraz und die anschliessende Diskussion im Nationalrat vgl. dodis.ch/64137.
7
Cf. à ce propos la lettre de la porte-parole pour l’environnement de l’Alternative verte au Parlement autrichien, la députée au Conseil national Monika Langthaler, au Chef du DFI, le Conseiller fédéral Flavio Cotti, du 18 novembre 1992, dodis.ch/66317. Pour la position de la Suisse sur les mesures autrichiennes, cf. la lettre de réponse du Conseiller fédéral Cotti du 23 décembre 1992, dodis.ch/66318, en particulier les notices annexées.
8
Vgl. dazu die Notiz des BAWI vom 5. Mai 1992, dodis.ch/64894, sowie das Dossier CH-BAR#E7115A#2002/69#357* (740.7).
9
An dem am 18. und 19. März 1993 in Brüssel stattfindenden Seminar wurde die mögliche Einführung eines europäischen Tropenholz-Labels diskutiert, vgl. dodis.ch/66397.
10
Vgl. dazu die Notiz der Sektion Handel, Rohstoffe, Industrialisierung des BAWI vom 17. Dezember 1992, dodis.ch/64890. Für die Studie vgl. dodis.ch/66397, Beilage.
11
Vgl. dazu den Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 92/1+2 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen vom 20. Januar 1993, dodis.ch/66058, Abschnitt 517.
12
Le DFEP soumet au Conseil fédéral une note d’information le 6 avril 1993, qui contient en annexe un compte-rendu de l’entretien du Secrétaire d’État Blankart avec le chargé d’affaires malaisien en Suisse, Zakaria Bin Mat. L’entretien a pour but d’aviser les autorités malaisiennes de l’importance pour la Suisse de prendre des mesures contre la déforestation au Sarawak, cf. dodis.ch/65687. Pour la visite du Conseiller fédéral Delamuraz en Malaisie, cf. DDS 1993, doc. 49, dodis.ch/64330.