dodis.ch/9317
Interne Notiz der Kriegstechnischen Abteilung12

AKTENNOTIZ ÜBER DIE BESPRECHUNG VOM 23. 4. 1953 BETR. AUSFUHRBEWILLIGUNGEN FÜR 8 CM OERLIKON-RAKETEN NACH DEN VEREINIGTEN STAATEN

In einem einleitenden Referat hat Herr Minister Zehnder die Situation betreffend den jährlich zunehmenden Kriegsmaterialexport erläutert und mitgeteilt, dass der Bundesrat beabsichtige, diese Exportangelegenheit nunmehr zu limitieren, wobei in erster Linie an eine Plafonierung gedacht wurde3. Es handle sich nicht vor allem darum, zahlenmässig ein Maximum festzulegen, sondern einen Plafond, wohl am zweckmässigsten durch einen Prozentsatz des totalen schweizerischen Exportes.

In der Diskussion wurden folgende Betrachtungen geäussert:

Herr Bührle: Die Ausfuhr von Oerlikon war 1938 40 Millionen Franken und erreichte 1941 ein Maximum mit 180 Millionen Franken. Die Plafonierung scheint Herrn Bührle offenbar nicht sehr sympathisch zu sein.

Herr Jaggi von Hispano-Suiza erklärt, dass seine Firma sich bei grossen Exportaufträgen immer vorerst beim Politischen Departement hinsichtlich der politischen Verhältnisse erkundigt habe. Hispano ist der Ansicht, dass bei einer Kontingentierung dem Export in den letzten 5 Jahren Rechnung getragen werden sollte. Im übrigen wäre Hispano mit einer Kontingentierung einverstanden. In einer zweiten Äusserung schlägt Herr Jaggi einen Plafond von ca. 200 Millionen Franken vor.

Herr Direktor Frey von der SIG teilt mit, dass seine Firma keine Ausdehnung ihrer Fabrikationsmöglichkeiten für Kriegsmaterial beabsichtige, sondern wie Oerlikon Unterlieferanten beiziehen würde. Die Exportaufträge seien für sie eine wesentliche Arbeitsbeschaffung, SIG habe aber volles Verständnis für die Absicht einer Beschränkung.

Es sei noch erwähnt, dass Herr Direktor Frey angefragt hat, wie es mit den Kriegsmaterialexporten der KTA stehe, ob dieselben auch in dem zu plafonierenden Betrag untergebracht werden müssen.

Oberst Kradolfer teilt mit, dass nach Auffassung der KTA die Ausfuhr von obsoletem Kriegsmaterial die Exportmöglichkeiten der Industrie nicht beschränken sollte, dass auch nicht zum voraus ersichtlich sei, ob in einem Jahr für bedeutende oder ganz unbedeutende Beträge Material abgestossen werden könne und dass deshalb die Liquidation von altem Kriegsmaterial ausserhalb der Plafonierung ermöglicht werden sollte.

Direktor Frey teilt darauf mit, dass er nicht altes, sondern neues von der KTA hergestelltes Kriegsmaterial meine. Die KTA beabsichtige ja an Schweden und andere skandinavische Staaten Mg. 514 zu verkaufen, und es wurde zu diesem Zweck von der KTA eine schwedische Militärkommission empfangen.

Herr Minister Zehnder hat diese Diskussion abgebrochen, da sie nicht zu den vorliegenden Geschäften gehört.

Herr Dr. Homberger teilt in längeren Ausführungen mit, dass sich der Bundesrat zu grundsätzlichen Betrachtungen durchringen müsse, dass eine Klärung und Stabilisierung der Exportverhältnisse notwendig sei. Die Bestimmung des Plafond scheint ihm zweckmässig.

Herr Minister Hotz führt in verschiedenen Ausführungen an, dass die Klärung nötig sei. Der öffentlichen Opposition würde am besten durch Limitierung der Exportverhältnisse begegnet; das Volk muss den Eindruck haben, dass der Bundesrat zum Rechten sieht.

Herr Minister Zehnder erklärt, dass nach Ansicht des Bundesrates ein Plafond auf alle Fälle unter 5% des bisherigen Exportes festgesetzt werden müsste und dass der KTA eine Reserve für unvorhergesehene Geschäfte zu schaffen sei, über die erst gegen Jahresende verfügt werden dürfte. Bei einer solchen Plafonierung könnten auch die einzelnen Geschäfte der Privatfirmen leichter und rascher behandelt werden.

Abschliessend gibt Herr Minister Zehnder folgende Stellungnahme:

Für die Plafonierung ist nicht in erster Linie die Höhe des Plafond massgebend, sondern die Absicht, die Sache zu regeln, als Rechtfertigung nach aussen und nach innen. Der Bundesrat erachte es als nötig, einen «courant normal» in Abhängigkeit des Gesamtexportes vorzusehen, ungefähr in der Höhe von 175–180 Millionen Franken pro Jahr, wobei diese Zahlen als Mittelwerte für 2–3 Jahre betrachtet werden könnten. Er frägt den VSM an, ob evtl. die Zuteilung für die einzelnen Firmen vom VSM vorgeschlagen werden könnte, da ja der VSM in dieser Sache Erfahrung besitze.

Der Vertreter des VSM ist einverstanden, die Sache in einer separaten Sitzung zu behandeln.

Herr Minister Zehnder und Herr Minister Hotz geben anschliessend noch ihren Standpunkt bekannt hinsichtlich der Notwendigkeit, Kriegsmaterialexporte ohne Ausnahmen ausserhalb des Clearings zu bezahlen. Für Material, das nicht unbedingt als Kriegsmaterial angesprochen werden kann, könnten aber Erleichterungen geschaffen werden.

Anschliessend wurden in einer kurzen Besprechung zwischen den Herren Minister Zehnder, Bührle, Dr. Gerber und Oberst Kradolfer die Wünsche der Firma Bührle bezüglich Export von Raketen nach USA für das Jahr 1953 besprochen5.

Herr Bührle teilt mit, dass die erhoffte Anschlussbestellung von 100’000 Raketen nach den bisher gemachten Schwierigkeiten nicht mehr in Betracht komme und er demzufolge noch eine Anschlussbestellung von 25’000 Stück erhalten könne unter der Bedingung, dass sie anschliessend an die erste Bestellung geliefert würde, d. h. also in den letzten Monaten 1953.

Herr Minister Zehnder teilt im Auftrag des Bundesrates Herrn Bührle mit,

1. der Bundesrat wolle sich zukünftig von seiner Firma nicht mehr unter Druck setzen lassen;

2. die Lieferung der ursprünglich für 1954 vorgesehenen 90’000 Raketen würde für 1953 bewilligt unter der Bedingung, dass Herr Bührle 1953 keine Arbeiterentlassungen vornehme;

3. die in Aussicht stehende weitere Bestellung (in Frage standen noch 100’000 Raketen) würde erst 1954 in Betracht gezogen.

Herr Bührle teilte mit, dass er einverstanden wäre, sich zu verpflichten, keine Arbeiterentlassungen pro 1953 vorzunehmen, falls ihm ausser den 90’000 noch weitere 25’000 Raketen (die noch in Aussicht bestehende Bestellung) pro 1953 bewilligt würden. Damit käme Herr Bührle auf einen Raketenexport an USA pro 1953 von 200’000 Stück entsprechend einem Betrag von 100 Millionen Franken.

Herr Minister Zehnder wird diesen Vorschlag von Herrn Bührle seinem Departementschef weitergeben, damit wenn möglich bei der Bundesratssitzung vom 24. 4 die Angelegenheit geregelt werden kann6.

1
Die Sitzung wurde von A. Zehnder geleitet. Anwesend waren: J. Hotz, E. Speiser, H. Bracher, Ph. Clerc, H. Homberger, C. Meylan, E. Bührle, A. Gerber, M. Jaggi, O. Frey.
2
(Kopie): E 5155(-)1971/202/101.
3
Zu den Kriegsmaterialexporten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vgl. DDS, Bd. 19, Dok. 7, dodis.ch/9309.
4
Maschinengewehr mit Baujahr 1951.
5
Vgl. DDS, Band 18, Nr. 140 (dodis.ch/8298) und DDS, Bd. 19, Dok. 13, dodis.ch/9311.
6
Vgl. den Bundesratsbeschluss vom 24. April 1953, BR-Prot. Nr. 689, E 1004.1(-)-/1/552: 1. Das Militärdepartement wird ermächtigt, der Firma Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, Bührle & Co., Zürich-Oerlikon, gemäss getroffener Vereinbarung vom 23. April 1953, die Bewilligung für die Fabrikation und Ausfuhr nach USA von 200’000 8 cm Pulverraketen im Jahre 1953 im Einvernehmen mit dem Politischen Departement zu erteilen. Die dieses Material betreffende, für 1954 erteilte Bewilligung fällt dahin. 2. Von der Erklärung der Firma Bührle&Cie. im Jahre 1953, keinen Abbau bei der ständig beschäftigten Arbeiterschaft vorzunehmen, wird Vormerkung genommen. Vgl. auch E 1003(-)1970/343/ R 3105 und E 2001(E)1969/121/161.